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Menschen und Maschinen

Menschen und Maschinen

Titel: Menschen und Maschinen
Autoren: Robert Silverberg
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Das Seil schlängelte sich hinter Peters her, denn es hatte sich bei dem Schwinger um seine Hand gewickelt.
    Ohne nachzudenken, flüchtete sich Johnny Peters zu dem einzigen Hafen, den er kannte. Als sich die Tür der Teleport-Zelle hinter ihm schloß, packte ein Mann das Ende des Seils und lachte dröhnend:
    »Der kommt nicht weit.«
    Bedächtig begann er das Seil einzuholen. Es spannte sich über die Deckenstrebe und dann über den Türrahmen der Teleport-Zelle.
    Ohne seine Fessel zu bemerken, holte Johnny Peters den Kreditschlüssel aus der Tasche, steckte ihn in den Schlitz und drehte herum.
    Mit einem Aufschrei packten drei Leute das Seil und zogen daran. Das Ende, glatt durchgetrennt, kam mit einem Ruck aus der Dichtung des Türrahmens und schleifte über den Boden; die drei Helden fielen der Länge nach hin. Ein kurzes Nachdenken wird jedem enthüllen, daß ein Transit mit Lichtgeschwindigkeit nur durch Explosionen von thermonuklearen Ausmaßen erreicht werden kann. Die Teleport-Zellen waren entsprechend stabil gebaut; während des Transits wurde alles, was sich im Innern der Zelle befand, zum Zielort weiterbefördert.
    Johnny Peters verschwand also mitsamt dem Stück Seil, das in der Zelle war.
    Johnny Peters befand sich in einem schwer zu beschreibenden Bewußtseinszustand. Er fühlte nichts; sein Tastsinn existierte nicht mehr. Die Reizpunkte der Zungenspitze übermittelten dem Gehirn keine Botschaften mehr über den Zustand der Zähne oder die Speichelmenge im Mund. Das Gefühl für die Stellung der Gliedmaßen im Verhältnis zum Körper fehlte ebenfalls. Der Druck gegen die Fußsohlen war verschwunden, als gäbe es keine Schwerkraft mehr.
    Da, wo er sich befand, herrschte absolute Stille. Oder er hatte keine Ohren – ebensowenig wie Augen, Geschmacks- und Geruchssinn.
    Dennoch hatte er ein Bewußtsein der Existenz, des Seins.
    Ein längst vergessener lateinischer Satz kam ihm in Erinnerung: »Cogito, ergo sum.« Und er überlegte, ob sein Latein richtig war. Richtig oder falsch, dachte Johnny Peters, jedenfalls existiere ich.
    Und sobald Johnny Peters das klar wurde, kehrte die Hoffnung zurück, denn solange er existierte, gab es auch Hoffnung, daß er die seltsame Ebene, die er betreten hatte, wieder verlassen konnte. Dann, als die Panik sich legte, wurde er schwach der anderen gewahr.
    Auch das war ein merkwürdiges Bewußtsein. Im Leben, beispielsweise in einer Straßenbahn oder der Metro, ist man sich der Gegenwart anderer bewußt, weil alle Sinne bombardiert, angegriffen, überlastet werden. Man kann sagen: »Sie standen so dicht nebeneinander, daß man es förmlich schmecken konnte!« und das ist gar nicht so falsch, denn die Chemikalien, die den Hauch einer dicht gedrängten Menschenmasse an den Geruchssinn übermitteln, sind in Wasser löslich; im Speichel wird der Geruchssinn zum Geschmackssinn.
    Das hier war wie Telepathie – oder doch nicht?
    Was ist Telepathie? Wählt der Telepath im Geiste einen Empfänger an und unterhält sich dann mit ihm wie per Telefon, oder sendet er seine Nachricht auf einer offenen Frequenz aus? Kann er die Gedankenwege eines Fremden mitverfolgen, ohne daß dieser das Eindringen bemerkt, oder wirkt der menschliche Wunsch nach Intimsphäre als eine Schranke? Ist das ein Grund für die Seltenheit der Telepathie?
    Jedenfalls spürte Johnny Peters die Gegenwart von anderen; vielleicht wäre es besser zu sagen, daß er das Bewußtsein von anderen spürte. Dann, als sich die erste Verwirrung gelegt hatte, spürte er auch schwach und unbestimmt Identitäten. Nicht Identitäten in dem Sinne, daß er Einzelwesen erkannte, sondern eher so, daß er sich verschiedener abgeschlossener Einheiten bewußt wurde. Er erkannte keine davon, aber das war nicht weiter überraschend, denn er hatte etwa fünf Millionen Leidensgefährten um sich.
    Johnny Peters wußte, wie Teleportation funktionierte, aber es fiel ihm schwer, sich von dem Gefühl freizumachen, daß die anderen, die das System benutzt hatten, einfach irgendwo jenseits der Zelleneingänge waren. Wo sie sich befanden, konnte er sich nicht vorstellen, aber er wußte, daß das Teleportmedium kein echter Tunnel war, auch wenn man bei der Begründung des Teleportwesens vom Tunneleffekt ausgegangen war.
    Denn nach Heisenbergs Unschärferelation kann ein Teilchen, dessen Energie nicht ausreicht, um einen bestimmten Potentialwall zu überschreiten, diesen »durchtunneln«. Dabei durchdringt es eine nach der klassischen Physik
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