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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Autoren: Håkan Nesser
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Polizeirevier von Kungsholmen, und es ging darum, den Weizen von der Spreu zu trennen.
    »Was sagst du?«, fragte er.
    »Wie schon einmal gesagt«, wiederholte Hellgrenberg. »Sie hat für morgen ein Ticket nach Bangkok.«
    »Bangkok? Verdammt. Du meinst also …?«
    »Was glaubst du selbst?«, entgegnete Hellgrenberg gähnend.
    »Sie und das Kind also?«
    »Nix da. Sie und ihr Ehemann.«
    »Aha. Und wann?«
    »Um elf Uhr abends.«
    »Von Arlanda?«
    »Ja, natürlich, was denkst du denn? Woher kommst du eigentlich?«
    »Entschuldige«, sagte Gunnar Barbarotti. »Bin aufgewachsen in Manhattan und in Rio de Janeiro. Was hast du gesagt, wo du wohnst, in Hökarängen?«
    Hellgrenberg antwortete nicht. Kratzte sich nur am Nacken und zwinkerte ihm zu.
    »Na, sei’s drum«, sagte Gunnar Barbarotti. »Ja, auf jeden Fall muss das wohl als ziemlich heiße Spur angesehen werden.«
    »Sage ich doch«, nickte Hellgrenberg. »Es geht nur darum, rauszufahren und sie zu schnappen.«
    »Das Kind«, sagte Barbarotti. »Sie muss das Kind mitkriegen.«
    »Kann sie wohl auf das Ticket des Ehemanns, wie ich mir denke«, sagte Hellgrenberg.
    »Denn du glaubst doch nicht, dass er mitfliegen wird?«
    »Ja wohl kaum«, sagte Barbarotti. »Aber kann man so einfach ein Flugticket umbuchen?«
    Der Kollege rieb sich mit der Faust sein braunes Auge. »Das weiß ich nicht«, musste er zugeben. »Aber wenn es sich nur um ein kleines Kind handelt, wird es wohl möglich sein.«
    »Das müssen wir herauskriegen«, sagte Barbarotti.
    »Wer ist ›wir‹?«, fragte Hellgrenberg.
    »Schon gut, ich kümmre mich drum«, sagte Gunnar Barbarotti. »Hast du die Flugnummer und so?«
    Der Kollege überreichte ihm ein Blatt Papier. »Thai Air«, sagte er. »23.10 Uhr. Dann kann ich jetzt wohl gehen und mich aufs Ohr hauen.«
    »Tu das«, sagte Inspektor Barbarotti. »Aber vorher könntest du vielleicht noch ein Auto organisieren, das mich zurück zum Hotel bringt.«
    »Wenn’s denn sein muss«, sagte Hellgrenberg.
    Die Uhr zeigte fast halb fünf, als er den Hörer auflegte, nachdem er mit Arlanda gesprochen hatte. Er war so müde, dass ihm übel war, es dröhnte in den Schläfen, und acht Tassen bitteren Kaffees brannten im Magen und in der Speiseröhre – aber gerade als er den Kopf aufs Kissen gelegt hatte, tauchte in seinem Kopf ein zufälliger Gedanke auf.
    Eine Idee, die anfangs nicht mehr als die Flügelspitze eines Schmetterlings wog – aber dessen flatternde Flucht durch seinen überreizten Kopf dennoch die Wetterfahne sich überschlagen ließ und ihn wach hielt.
    Oder wie man die Sache nun ausdrücken wollte.
    Verdammte Scheiße, murmelte er und setzte sich im Bett auf. So hätte ich nicht vorgehen dürfen. Nie im Leben.
    Er griff erneut nach dem Hörer. Wusste die Nummer noch.

45
    A ls sie in die Abflughalle kam, fuhr ihr ein Bild durch den Kopf.
    Im Hotelzimmer war es eine Gebärmutter gewesen, jetzt war es eine Hühnerfarm. Genauso musste das Gefühl sein, aus einem Ei geboren zu werden.
    Sie schob Kelvins Karre mit einer Hand vor sich her, zog die Reisetasche mit der anderen nach sich. Es war fast nicht möglich, unter all den Menschen und dem Gepäck ein Fortkommen zu finden. Es ist sechs Uhr morgens, dachte sie. Fliegen alle Flugzeuge um diese Zeit ab?
    Nach zehn Minuten war es ihr gelungen, den richtigen Schalter und die richtige Schlange zu finden. Es standen mindestens ein Dutzend andere Reisende vor ihr, aber jetzt war sie zumindest an Ort und Stelle. Kelvin war wach, aber er saß brav in seiner Karre und machte kein Aufhebens um sich, wie üblich. Das Kind in ihrem Bauch schien zu schlafen. Es wird klappen, dachte sie.
    Ich werde von hier wegkommen.
    Fast machte ihr das Übermütige an diesem Gedanken Angst. Sei nicht so sicher, dachte sie. Um Gottes willen, freu dich nicht zu früh. Aber während sie dastand, während sie sich langsam auf die jungen, adretten Frauen in Uniform hinter dem Tresen zu bewegte, legte sich dennoch eine Ruhe über sie. Was soll denn noch schiefgehen?, dachte sie. Im Grunde genommen. Wieso sollte jemand entdecken, was passiert war?
    Es gab keinen Grund, das zu fürchten. Wirklich nicht. Und niemand würde es merkwürdig finden, wenn sie die nächsten zwei Wochen nichts von sich hören ließen. Sie wollten nach Thailand reisen, das war allgemein bekannt. Dass sie stattdessen einen halben Tag früher nach Málaga flog, ja, wer würde denn von so etwas Wind bekommen? Selbst das Gespräch mit der Tagesmutter hatte
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