Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
Warum habe ich nicht wenigstens einen Regenschirm dabei?
    Fünfundvierzig Minuten später war er wieder in seinem Zimmer im Hotel Terminus und startete Plan C.
     
    »Oh je«, sage Eva Backman. »Ist es so schlimm?«
    Es war halb acht Uhr abends. Gunnar Barbarotti saß zusammengesunken auf dem einzigen Sessel des Hotelzimmers und starrte mit böser Miene auf seine Hose. Dort befanden sich zwei Flecken Rote-Beete-Saft, einer auf jedem Hosenbein. Das einzige Ergebnis der Arbeit eines Tages, konnte man wohl behaupten. »Ja«, sagte er. »So schlimm ist es.«
    »Du klingst müde.«
    »Liegt wohl daran, dass ich es bin.«
    »Shit happens. Die sind bestimmt rausgefahren, um zu segeln oder so.«
    »Im Dezember? Sag mal, spinnst du?«
    »Ich versuche nur einen Kollegen zu trösten, aber davon hat man ja nichts. Wir müssen uns halt um den Kerl kümmern, sobald er wieder auftaucht. Es ist trotz allem noch nicht gesetzlich vorgeschrieben, dass man ans Telefon gehen … oder zu Hause sein muss.«
    »Danke, das weiß ich«, sagte Gunnar Barbarotti. »Ich habe ja nur gesagt, dass es einfach Scheiße ist. Und normalerweise gehen die Leute ans Handy. Jedenfalls die, die ich anrufe.«
    »Hast du eine Nachricht hinterlassen?«
    »Natürlich nicht. Er soll keine Gelegenheit haben, sich vorzubereiten.«
    »Du scheinst davon überzeugt zu sein, dass er auf irgendeine Weise darin verwickelt ist.«
    »Klingt es so?«
    »Ja.«
    »Ach, ja? Nein, ich bin mir überhaupt nicht sicher, dass er darin verwickelt ist, aber ich bin mir sehr sicher, dass ich verdammt scharf darauf bin, mit ihm zu sprechen. Andererseits ist inzwischen fast ein Jahr vergangen, vielleicht ist es doch nicht so schrecklich eilig.«
    »Genau das habe ich gerade versucht, dir zu erklären«, sagte Eva Backman. »Beruhige dich. Geh ein Bier trinken oder ruf Maria an oder wozu du gerade Lust hast.«
    »Marianne.«
    »Was?«
    »Marianne. Sie heißt Marianne.«
    »Auch gut. Ruf sie an und säusele ein bisschen mit ihr herum, und scheiß erst einmal auf diesen dubiosen Fernsehproduzenten. Er ist unsere Aufmerksamkeit gar nicht wert. Wir können daran weiterarbeiten, wenn du am Montag wieder zurück bist.«
    Gunnar Barbarotti seufzte. »Sie sind Balsam für die Seele, dass Sie es nur wissen, Frau Backman.«
    »Das sagt mein Mann auch«, erklärte Eva Backman. »In seinen lichten Momenten. Also, pass auf dich auf und mach es gut.«
    Ich habe keine Lust rauszugehen, dachte er, nachdem Eva Backmans Stimme verklungen war. Nicht in dieses Mistwetter. Er versuchte aus dem Fenster zu gucken, aber draußen war nicht viel zu erkennen. Es regnete immer noch. Der Wind trieb die Böen gegen das Fenster, ein Aquarium im Sturm, so sah es da draußen aus. Der Hauptbahnhof schien noch zu stehen. Das Rathaus auch. Nicht, dass es ihn interessierte. Die schlechte Laune hing ihm nach wie alte Halsschmerzen. Was zum Teufel habe ich mir eigentlich eingebildet?, dachte er. Was habe ich hier zu suchen?
    Nur ein Glück, dass er wenigstens nicht bei der Stockholmer Polizei um Beistand gebeten hatte. Immerhin etwas, die hätten sich sonst einen Wolf gelacht.
    Er beschloss, auf die innere Stimme und die Wettergötter zu hören und auf seinem Zimmer zu bleiben. Blätterte eine Weile in der Informationsbroschüre, die auf dem winzigen Schreibtisch lag, dann rief er bei der Rezeption an und bat darum, dass ihm ein Caesarsalat und ein dunkles Bier aufs Zimmer gebracht würden.
    Er hatte die Nachrichten und zwei Drittel eines alten amerikanischen Gangsterfilms gesehen, als das Telefon klingelte.
    Marianne?, dachte er in freudiger Hoffnung und schaltete den Ton des Fernsehers aus.
    Doch es war nicht Marianne. Es war Leif Grundt aus Sundsvall.

44
    Sie löschte das Licht und schloss die Augen.
    Doppelte Dunkelheit, dachte sie. Genau, was ich brauche. Was ich verdient habe.
    Und plötzlich empfand sie den fremden Raum wie eine Umarmung. Einen sicheren Kokon oder eine Gebärmutter, in der sie ruhen konnte, unerreichbar für alle Gefahren. Versteckt. Gerettet. So war es wirklich. Sie horchte, das einzige Geräusch, das sie hören konnte, war ein ganz schwaches Sausen der Klimaanlage – und Kelvins fast noch leisere Atemzüge.
    Mein armes, schlafendes Kind, dachte sie. Strich sich vorsichtig mit den Händen über den angespannten Bauch und korrigierte die Formulierung. Meine armen, schlafenden Kinder.
    Was sollte aus ihnen werden?
    Was aus ihr selbst werden sollte, war nicht so wichtig. Hier in der anonymen Kapsel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher