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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945
Autoren: Leni Riefenstahl
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Hitler nichts wußte.» Sie konnte nicht weitersprechen - ein Weinkrampf schüttelte sie.
      Auch ich klammerte mich damals noch an diesen Strohhalm, weil es mir unfaßbar erschien, Hitler, wie ich ihn kannte, mit diesen Grausamkeiten in Verbindung zu bringen. Aber Zweifel begannen sich in mir zu regen, mehr und mehr. Ich wollte, auch wenn es noch so weh tat, die Wahrheit wissen. Es erschien mir schwer vorstellbar, daß Befehle von solcher Tragweite ohne Hitlers Wissen ausgeführt werden konnten. Wie aber waren diese Grausamkeiten in Einklang mit seinen Worten zu bringen, die ich Anfang des Krieges in Zoppot hörte, als er empört sagte: «Solange Frauen und Kinder sich noch in Warschau befinden, wird nicht geschossen.» Oder seine Worte im Büro Albert Speers, wo er nur wenige Tage vor Ausbruch des Krieges in meiner Gegenwart ausrief: «Gott gebe, daß ich nicht zu einem Krieg gezwungen werde.»
      Wie war das mit der Unmenschlichkeit in den Konzentrationslagern vereinbar? Ich war völlig verwirrt. Vielleicht, dachte ich, hat sich Hitler durch den Krieg so verändert, möglicherweise durch die Isolierung, in der er seit Anfang des Krieges gelebt hatte. Von diesem Augenblick an hatte er keine Verbindung mehr zu den Menschen ausserhalb seiner Bannmeile. Bei seinen früheren Kundgebungen übertrugen sich auf ihn die Gefühle der ihm zujubelnden Menschen, die er wie ein Medium aufnahm. So wurden positive Impulse auf ihn übertragen, die das Negative in ihm unterdrückten. Er wollte ja verehrt und geliebt werden. Aber in seiner selbstgewählten Isolation gab es keine menschlichen Beziehungen mehr. Er wurde einsam und blutleer und schließlich unmenschlich, als er erkannte, daß ein Sieg nicht mehr möglich war. So versuchte ich, so eine Erklärung für sein schizophrenes Wesen zu finden.
      Von nun an wurde ich täglich zu stundenlangen Verhören abgeholt. Was ich auch sagte, wurde mitstenographiert, und außerdem hatte ich viele Fragebögen auszufüllen. Ich durfte dabei sitzen und wurde auch korrekt behandelt. Meine Aussagen wurden von Zeugen, die sich im Lager befanden, bestätigt. Bald stellte ich fest, daß die CIC-Offiziere mehr über mich wußten, als ich selbst. Sie waren aufs beste informiert, das wirkte sich auf meine Behandlung günstig aus. Nach einiger Zeit hatte ich nicht mehr das Gefühl, eine Gefangene zu sein. Man lud mich sogar einige Male mit dem Kommandeur des Lagers und seinen Offizieren zum Nachmittagstee ein. Dort wurde sehr frei diskutiert, besonders über einige Gefangene. Die Lieblingsperson war fast immer Göring. Ich war erstaunt, wie beliebt er war. Sie hatten mit ihm Intelligenztests gemacht und bewunderten ihn. Man hatte Göring das Morphium entzogen, und dies hatte anscheinend seine geistigen Fähigkeiten mobilisiert. Er sah abgemagert aus, schien aber immer guter Laune zu sein. Fast keiner der Amerikaner glaubte, daß er als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt werden würde. Ich war überrascht, denn ich zweifelte keinen Augenblick daran. Täglich wurden neue Ankömmlinge eingeliefert.
      Einmal hatte ich im Lager ein unangenehmes Erlebnis, den Besuch eines Arztes. Meine Zimmergenossinnen mußten den Raum verlassen. Wir waren allein. «Ich muß Sie bitten, mir heute einige intime Dinge über Hitler mitzuteilen», sagte er.
      Verdutzt sah ich den Mann an: «Sie wissen doch genau, daß ich Ihnen nichts ‹Intimes› über Hitler sagen kann.»
      Der Arzt: «Frau Riefenstahl, ich verstehe, daß Sie über solche Dinge nicht sprechen wollen, aber ich bin Arzt, und zu mir können Sie Vertrauen haben. Es ist ja kein Verbrechen, wenn Sie als Frau mit Hitler geschlafen haben - ich werde es nicht weiterberichten. Wir wollen wissen, ob Hitler sexuell normal oder ob er impotent war, wie seine Geschlechtsteile aussahen und so weiter - das ist wichtig für die Beurteilung seines Charakters.»
      Da konnte ich mich nicht mehr beherrschen.
      «Raus», schrie ich, «raus!» Erschrocken sah mich der Arzt an. Ich öffnete die Tür und schubste ihn hinaus. Dann warf ich mich aufs Bett. Wieder einmal war ich mit meinen Nerven am Ende.
      Überraschend wurde ich schon nach wenigen Wochen, es war der
    3. Juni 1945, entlassen. Dabei erhielt ich ein Dokument, in dem bestätigt wurde, daß nichts gegen mich vorliegt. Der Originaltext lautet:

    Headquarters Seventh Army
Office of the A. C of S. G. - 2
APO758 US Army

    TO WHOM
             IT MAY CONCERN: DATE 3. JUNI 1945 This is to
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