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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945
Autoren: Leni Riefenstahl
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374 • Das Jahr 1942 376 • Feldpostbriefe 381 • Verlobung 385 • Der totale Krieg 389 • In Spanien 1943 390 • Haus Seebichl 392 • Letzte Begegnung mit Hitler 394 • Am 20. Juli 1944 397 • Sippenhaft 399 • Vor dem Untergang 400 • Wettlauf mit dem Ende 402 • Die ersten Verhaftungen 410 • Im amerikanischen Hauptquartier 415

    Nachbemerkung

    Photos (Eine Auswahl)
Szenenbilder aus Olympia , Das blaue Licht und Triumph des Willens

    Rückseite
    «Über mich sind schon massenweise so unver
schämte Lügen und freie Erfindungen erschienen,
daß ich längst unterm Boden wäre, wenn ich mich
darum kümmern sollte. Man muß sich damit trö
sten, daß sie Zeit ein Sieb hat, durch welches die
meisten Nichtigkeiten im Meer der Vergessenheit
ablaufen.» ALBERT EINSTEIN

    TANZ UND FILM

    Sonne, Mond und Sterne

    E s ist nicht leicht, mich aus der Gegenwart zu lösen und in die Vergangenheit zu versenken, um die lange Gratwanderung meines Lebens zu begreifen. Es kommt mir vor, als hätte ich viele Leben gelebt, die mich durch Höhen und Tiefen führten und nie zur Ruhe kommen ließen - gleich den Wellen eines Ozeans. Immer war ich auf der Suche nach dem Ungewöhnlichen, dem Wunderbaren und den Geheimnissen des Lebens.
      In meiner Jugend war ich ein glücklicher Mensch. Als «Naturkind» wuchs ich auf, unter Bäumen und Sträuchern, mit Pflanzen und Insekten, behütet und abgeschirmt, in einer Zeit, die weder Radio noch Fernsehen kannte.
      Schon mit vier oder fünf Jahren machte es mir Spaß, mich zu verkleiden und mir die phantastischsten Spiele einfallen zu lassen. So erinnere ich mich ganz deutlich an einen Abend in unserer Wohnung am Berliner Wedding, in der Prinz-Eugen-Straße, in der ich auch geboren wurde. Meine Eltern waren ausgegangen. Mit Hilfe von Bettlaken hatte ich meinen drei Jahre jüngeren Bruder Heinz in eine ägyptische Mumie verwandelt, damit er sich nicht rühren konnte, hatte selbst die langen lila Abendhandschuhe meiner Mutter angezogen und mich obenherum mit Tüll als indische Bajadere verkleidet.
      Der große Augenblick, vor dem mir ziemlich bange war, war gekommen, als meine Eltern zurückkehrten. Fassungslos betrachtete meine Mutter diese Verkleidungsszene und den eingewickelten kleinen Bruder. Wie sie mir später gestand, hatte sie selbst Schauspielerin werden wollen, hatte aber schon mit zweiundzwanzig geheiratet. Sie war das 18. Kind meines Großvaters, der aus Westpreußen kam und Baumeister war. Die Hände über dem Bauch gefaltet, hatte sie während ihrer Schwangerschaft gebetet: «Lieber Gott, schenke mir eine wunderschöne Tochter, die eine berühmte Schauspielerin werden wird.» Das Kind, das sie am 22. August 1902 zur Welt brachte, schien freilich aber eine Ausgeburt an Häßlichkeit zu sein, verschrumpelt, mit struppigem dünnen Haar und schielenden Augen.
      Meine Mutter weinte sehr, als sie mich zum ersten Mal betrachtete, und für mich war es ein geringer Trost, wenn die Kameraleute mir später versicherten, mein «Silberblick» eigne sich hervorragend für das zweidimensionale Medium Film. Mein Vater Alfred Riefenstahl, der meine Mutter, Bertha Scherlach, auf einem Kostümfest kennengelernt hatte, war ein moderner, vorausschauender Geschäfts mann, Inhaber einer großen Firma für Heizungs- und Lüftungs-Anlagen. Vor dem Ersten Weltkrieg richtete er in Berliner Häusern sanitäre Anlagen ein. Zwar liebte er das Theater, das er mit meiner Mutter häufig besuchte, aber Schauspieler, besonders Schauspielerinnen, waren für ihn «Halbseidene», wenn nicht sogar «Halbwelt», mit Ausnahme von Fritzi Massary, die einzigartige Soubrette, die er glühend verehrte und von deren Premieren er keine versäumte. Er war ein großer, kräftiger Mann, mit blondem Haar und blauen Augen, lebensfroh und temperamentvoll, aber zu Jähzorn neigend, wenn sein starker Wille sich gegen meine Mutter und mich nicht durchsetzen konnte. Selten wagte jemand, ihm zu widersprechen, überall verschaffte er sich wie selbstverständlich Autorität, ob bei seinen Jagdfreunden, bei den Kegel- oder Skatbrüdern oder in der Verwandtschaft. Er allein hatte das Bestimmungsrecht über Frau und Kinder, so sehr ihm auch meine Mutter zu widersprechen versuchte. Als junger Mann spielte er selbst begeistert Theater, hatte eine gute Stimme, aber nie wäre er auf den Gedanken gekommen, daß seine Tochter einmal ähnliche Neigungen entwickeln könnte.
      Ein unvergeßliches Kindheitserlebnis für mich
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