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Memo von Meena (German Edition)

Memo von Meena (German Edition)

Titel: Memo von Meena (German Edition)
Autoren: Nancy Salchow
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Oliver heißt", antwortete Meena, während sie die Zeitschrift zuschlug. "Oliver Staude."
     

Kapitel 4: Das Arschloch auf dem Thron
     
     
    Meena
     
    Ich habe fast den Verdacht, dass mein Diktiergerät inzwischen eher eine Art Tagebuch ist und keine wirklich ernsthafte Hilfe bei der Vorbereitung zu meinen Kolumnen. Denn wie könnte ich das, was mir seit gestern Abend durch den Kopf geht, je für eine Kolumne verwenden?
    Trotzdem muss es raus, sonst platze ich. Carlo. Er war hier. Ohne Vorankündigung. Ohne einen Anlass. Zumindest schien es so, als er gestern wie aus dem Nichts vor meiner Tür stand. Ich hatte mir die erste Begegnung mit ihm seit unserer Trennung immer wieder ausgemalt. Dass ich ihm die kalte Schulter zeige, einfach weitergehe, wenn er mir entgegenkommt oder mir die Hand zur Begrüßung reicht. Aber wie ignoriert man jemanden, der vor der eigenen Tür steht? Ich weiß, ICH war diejenige, die ihn damals verlassen hat. Aber eben nur, weil er es nicht anders verdient hatte. Weil er immer nur an sich selbst dachte und jedes meiner Bedürfnisse im Keim erstickte. Familiengründung? Fehlanzeige! Willst du echt noch das Dessert essen? Seit letztem Monat hast du ganz schön zugenommen, Süße! Geburtstagsgeschenk? Ach, lass uns das dieses Jahr doch mal ausfallen lassen. Kostet nur unnötig Geld.
    Mir würden unendlich viele Gründe einfallen, warum ich ihm damals den Laufpass gegeben habe, aber wenn er dann vor mir steht, vergesse ich jeden einzelnen davon. Dann sehe ich nur zwei kaffeebraune Augen, denen ich sofort den Inhalt meines Schlafzimmers offenbaren möchte.
    Als er vor meiner Tür stand, war jedoch nichts von der gewohnten Arroganz übrig. Kein selbstsicheres Anheben der Augenbrauen. Keine lässig in Hosentaschen vergrabenen Hände. Stattdessen ein Häufchen Elend, das ausgerechnet die Exfreundin zum Ausheulen über seine hoffnungslos verfahrene Situation auserkoren hat. Diese so genannte hoffnungslose Situation trägt übrigens den Namen Jennifer. Die Jennifer, die er damals, bereits wenige Wochen nach unserer Trennung, überall als seine Neue vorgestellt hat. Als ich es aus lauter Sprachlosigkeit nicht fertig brachte, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, kam er nämlich ohne Vorwarnung hineingestürmt und jammerte über die Tatsache, dass Jennifer ohne sein Wissen die Pille abgesetzt hätte und er nun ungewollt Vater würde. Im ersten Moment, als er wimmernd auf meiner Couch saß, war ich kurz davor, ihn zu fragen, ob er eigentlich noch irgendetwas merkt. Hier einfach so aufzutauchen. Ausgerechnet bei mir . Und ausgerechnet wegen ihr ! Dann schwankte ich zwischen Mitgefühl und sprachlosem Bedauern, bis ich irgendwann bei der Erkenntnis ankam, dass er eigentlich ein armseliges Würstchen ist. Mit Ende Dreißig noch immer nicht bereit, Familienpläne zu schmieden, geschweige denn, irgendeinen Gedanken, der über den nächsten Tag hinausgeht, zuzulassen.
    Er kann so eine Memme sein, wenn er gerade mal kein Arsch ist. Umso erstaunlicher, dass ich ihn als Arschloch sehr viel anziehender finde. Denn als er da so da saß, auf meinem Sofa, heulend und fast bemitleidenswert, war nichts mehr attraktiv an ihm. Mir fiel ein, wie sehr ich nach unserer Trennung gelitten habe, wie göttlich er in meinen Gedanken aussah und wie hoch er mit jedem Tag auf meinem ganz persönlichen Thron anstieg. Einfach nur, weil er nicht mehr mir gehörte. Weil er mich so schnell vergessen hatte. Und weil mein Entschluss, ihn zu verlassen, keinerlei Reue in ihm geweckt hatte, geschweige denn irgendeine Art von Einsicht.
    Und nicht zum ersten Mal frage ich mich: Sind wir Frauen nur dann fähig, Männer wirklich uneingeschränkt zu bewundern, wenn sie sich wie Schweine benehmen? Brauchen wir den ständigen Anreiz, aus einem Arschloch einen besseren Menschen zu machen? Ein Anreiz, der unsere Liebe mit jedem Tag wachsen lässt – nur damit sie stirbt, sobald er sich von ebendiesem Arsch zu einem liebenswerten Kerl gewandelt hat? Wächst eine Liebe nur so lange ins Unermessliche, wie sie unerwidert scheint, zumindest solange sie nicht in dem Maße erwidert wird, wie man es sich erhofft? Und ist jede Sehnsucht dazu bestimmt, sich in graue Emotionslosigkeit zu wandeln, sobald sie gestillt wird?
    Ich habe ihm eine Weile zugehört und mit sehr wortkargen Reaktionen dazu gebracht, meine Wohnung schon nach einer halben Stunde wieder zu verlassen. Fragen wie "Glaubst du ernsthaft, dass ich die Richtige bin, um dich in dieser
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