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Memo von Meena (German Edition)

Memo von Meena (German Edition)

Titel: Memo von Meena (German Edition)
Autoren: Nancy Salchow
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sollte er also sein, sein erster Schritt zur eigenen Kolumne. Eine Kolumne, von der niemals jemand erfahren würde, dass sie aus seiner Feder stammt.
    "Meena ist aufgrund von Schwangerschaftsproblemen die letzten Wochen bis zur Geburt ans Bett gefesselt. Es geht ihr nicht sehr gut. Ziemlich blöde Sache."
    "Blöde Sache", wiederholte er ungeschickt.
    Er warf erneut einen Blick auf den Vertrag. Während der Absatz mit dem bösen Wort Ghostwriter langsam verblasste, verdrängten die beeindruckenden Zahlen am Ende des wichtigen Papiers die letzten Zweifel.
    "Also gut", sagte er schließlich, "wo soll ich unterschreiben?"
     
     
    *
     
     
    Sie müssen einfach nur die Häppchen zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Die Worte von Frau Markert liefen in Dauerschleife durch seinen Kopf, wo sie sich langsam zu einem unliebsamen Mantra verschworen. Diese Frau schien tatsächlich dem Irrglauben zu erliegen, dass ein guter Schreibstil allein genügte, um in die Rolle einer anderen Person zu schlüpfen. Einer Person anderen Geschlechts. Einer Person, die sich in den letzten sechs Jahren eine gigantische Fangemeinde innerhalb der Leserschaft des Magazins aufgebaut hatte. Und ebendiese Fangemeinde bei der Stange zu halten, sollte nun seine bescheidene Aufgabe werden. Glaubte seine neue Chefin denn tatsächlich, dass die einzige Gemeinsamkeit, die darin bestand, dass sowohl er als auch seine Vorgängerin Mittdreißiger in einer Großstadt waren, als Grundlage für das nahtlose Fortsetzen ihrer Kolumne genügte?
    Er betrachtete erneut das Diktiergerät neben seinem Laptop und den Stapel ausgedruckter Kolumnen von Meena Teske, mit deren Hilfe er versuchen sollte, ihren Stil zu verinnerlichen. Auch die Tatsache, dass Frau Markert ihm zugesichert hatte, ihm bei der Wahl seines ersten Themas zunächst freie Hand zu lassen, wollte ihn nicht so recht zuversichtlich stimmen. Allein der Hinweis, dass Meena die Aufnahmen ursprünglich für sich selbst gemacht hatte, um dann auch selbst daraus eine Kolumne zu konstruieren, schüchterte ihn ein. Wie konnte irgendjemand erwarten, dass die Anhaltspunkte, die sie ausschließlich zur eigenen Verwendung aufgenommen hatte, auch für einen Außenstehenden brauchbar sein würden?
    Seine ohnehin sehr bescheidene Zuversicht begann zu bröckeln.
    Oliver drückte die Play-Taste und lauschte der fremden Stimme.
     
    Was für ein beschissener Tag. Meine Erfahrung ist die, dass es immer die beschissensten Tage sind, die die lehrreichsten Anekdoten mit sich bringen und am Ende der Ursprung für meine besten Kolumnen waren. Allein deshalb habe ich trotz grauenhafter Laune die Record-Taste gedrückt. Festhalten, Meena, sagt Raja immer. Du musst es festhalten. Alles! Jeden Gedanken, jede Emotion, bevor sie weg ist. Das Lebensnahe, das Echte, nennt sie es. Das ist es, was die Leserinnen wollen. Aber was ich will, interessiert wieder mal niemanden. Ich will, verdammt noch mal, endlich diesem Scheiß-Singledasein ein Ende bereiten. Dass diese deprimierenden Dates mit Psychopaten, Perverslingen und Versagern endlich ein Ende haben. Raja liebt mein Drama. Sie sagt, das ist es, was die Leserinnen dazu bringt, mich als Eine von ihnen zu betrachten. Aber will man als Leserin wirklich auch noch in einer Kolumne ständig daran erinnert werden, dass man so beschissen allein ist? Außerdem sind die Leserinnen doch nicht alle alleinstehend. Oder kaufen glücklich Verheiratete keine Zeitschriften? Tun es womöglich gerade die Verheirateten, um sich über ein bemitleidenswertes Objekt wie mich zu amüsieren? Bin ich für sie so etwas wie die Versager-Freundin, die sie brauchen, um das eigene Leben schöner zu finden?
    Aber ich wollte auf den Punkt kommen: Beschissener Tag. Um genauer zu sein: Beschissenes Date! Drei Wochen lang habe ich mit diesem Typen, David heißt er, gemailt. Endlich mal jemand, der mit den Rechtschreib- und Grammatikregeln vertraut ist, noch dazu humorvoll und charmant. Sogar sein Foto gefiel mir. Kein hirnloser Schönling oder pseudointellektueller Grusel-Nerd. Einfach von allem das richtige Maß. So schien es zumindest. Wir hatten uns auf einer Single-Plattform kennen gelernt und er war der erste Typ seit langem, der mich nicht langweilte oder anwiderte. Weder seine Nachrichten noch sein Foto. Mit jeder Mail fand ich ihn interessanter und auch das Foto wurde mit jedem Blick schöner. Seit heute weiß ich allerdings, dass ein gutes Aussehen eben nur die halbe Miete ist – und bei diesem Kerl noch
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