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Memo von Meena (German Edition)

Memo von Meena (German Edition)

Titel: Memo von Meena (German Edition)
Autoren: Nancy Salchow
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ich hier eigentlich tue. Ich habe mein Diktiergerät das letzte Mal für ein Interview mit dem Besitzer einer Zuckerfabrik benutzt, jetzt funktioniere ich es sozusagen als Rettungsanker für eine merkwürdige Situation um, in die ich geraten bin und die ich noch immer nicht so recht einordnen kann. Vor mir liegt ein Stapel ausgedruckter Kolumnen, die Meena Teske im Laufe der letzten Jahre verfasst hat. Und ich soll ihr bescheidener Nachfolger werden, weil sie derzeit hochschwanger und aus gesundheitlichen Gründen zum Schreiben nicht imstande ist. Und generell: Elternzeit und so. Alles gut und schön. Aber mich bringt es in eine seltsame Lage. Meine neue Chefin hat mir nichts weiter als Meenas Diktiergerät in die Hände gedrückt mit den Worten: Schreiben Sie einfach so wie sie! Die Aufnahmen, die Meena gemacht hat, sind auch wirklich interessant, lebendig und gewissermaßen faszinierend. Doch wie ich daraus eine Kolumne basteln soll, will sich mir nicht so recht erschließen. Es heißt, Meena habe alle Gedanken, die ihr in den Kopf kamen, stets sofort auf ihrem Diktiergerät verewigt. Eine Routine, die sich als sehr hilfreich herausstellte und mit der Zeit zur Grundlage für all ihre Kolumnen wurde. Aber wie gesagt: da dachte sie auch noch, dass es die Grundlage für IHRE Kolumne ist. Nun sitzt aber nicht sie, sondern ich vor diesen strukturlosen Aufnahmen, um daraus eine Kolumne zu basteln, die nicht nur zum Stil von Meena passt, sondern auch eine endlos große weibliche Leserschaft erreichen soll. Ich gebe es zu: Ich bin überfordert! Aus der Verzweiflung heraus kam mir die Idee, ihrem Prinzip zu folgen und meine Ideen, auch wenn sie im Moment noch sehr weit davon entfernt sind, Ideen zu sein, festzuhalten. Aber selbst bei einer so simplen Aufnahme wie dieser merke ich, dass ich mit ihrer Freizügigkeit, ihrem gedankenlosen Frei-nach-Schnauze-reden nicht mithalten kann. Denn auch wenn sie sich bei den Formulierungen für ihre Kolumnen sehr viel Mühe gibt, konturlose Worte auf schlaue Weise miteinander zu verbinden, so scheint doch immer wieder das Lebendige, Echte, Unverfälschte durch. Vielleicht kann man auch sagen: das Weibliche! Und weiblich bin ich nun mal nicht. Aber wie soll mir mein Diktiergerät dabei helfen, es zu werden? Auf der Suche nach einem potenziellen Thema für meine erste Kolumne als Oliver "The Ghostwriter" Staude werde ich wohl noch eine Weile brauchen. Worauf habe ich mich da bloß eingelassen?
     
     
    Meena
     
    Noch mal zum Thema Jammern. Vielleicht sollte ich das tatsächlich irgendwann aufgreifen. Warum sich jeder aufregt und so. Ich meine, ist es unnormal, nicht ständig zu meckern? Nicht ständig irgendwem die Augen öffnen zu wollen, weil sich die Welt irgendwie falsch dreht? Bin ich selbstsüchtig, weil ich diese Aufgabe lieber anderen überlasse und mich den Dingen widme, die meine eigene kleine Welt zum Drehen bringen? Frauensachen. Menschensachen auch irgendwie, denn ich bin mir gar nicht so sicher, ob es ausschließlich Frauenprobleme sind, die mich beschäftigen. Irgendwie alles ein bisschen konfus. Vielleicht sollte ich auch einfach mal wieder das Klischee erfüllen und ein Projekt á la "Mein Monat ohne Kohlenhydrate" starten. Ist es nicht das, was man von Frauen im Allgemeinen erwartet?
     
     
    Oliver
     
    Diese Frau redet wirklich wie ein Wasserfall. Und am Ende des Wasserfalls stehe ich wie ein begossener Pudel und frage mich: Was will sie mir eigentlich sagen? Okay, sie sagt es nicht mir, sondern sich selbst. Und das vor einer ganzen Weile schon. Ob sie damals geahnt hat, dass dieses Gerät einmal in die Hände einer anderen Person fallen würde? Sicher nicht. Das besagte Thema "Jammern" hat sie bisher übrigens tatsächlich noch in keiner Kolumne erwähnt. Ob ich es aufgreife? Ich meine, sie hat ja recht mit dem, was sie sagt. Die ganze Welt regt sich auf. Über irgendetwas, irgendwen, irgendwo. Immer. Überall. Aber ganz ehrlich, ich glaube, ich gehöre selbst dazu. Es lässt mich nun mal nicht kalt, wenn irgendein überflüssiger und selbstverliebter Politiker eine überdimensionale Rente bekommt, während die hart arbeitende Bevölkerung nicht mal ein kleines Stück vom Kuchen abbekommt. Es regt mich auf, wenn korrupte Manager ganze Unternehmen ungestraft an die Wand wirtschaften dürfen, während eine Verkäuferin ihren Job verliert, weil sie sich beim Wechselgeld verzählt hat.
    Aber ich muss meine eigenen Ansichten vergessen. Erinnere dich an das Mantra, Oliver:
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