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Memo von Meena (German Edition)

Memo von Meena (German Edition)

Titel: Memo von Meena (German Edition)
Autoren: Nancy Salchow
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nicht mal ein Viertel. Unser Date war so was von furchtbar. Er hat echt geschlagene zwei Stunden nur von sich geredet. Und wenn er nicht über sich gesprochen hat, war es seine Mutter, seine Ex oder seine Schwester. Ich begreife einfach nicht, wie der Eindruck, den ich in den Mails gewonnen habe, so wenig mit der Realität übereinstimmen kann. Als er zur gefühlt hundertsten Anekdote über den Urlaub mit seiner Exfreundin ansetzte, habe ich den letzten Schluck meines mittlerweile kalten Kaffees getrunken, bin aufgestanden und habe mit den Worten "Tut mir leid, aber zwei Stunden Dauergespräch über andere Frauen sind nicht unbedingt ein guter Start" das Café verlassen. Das Allerschärfste war allerdings die SMS, die ich vorhin von ihm bekommen habe. Moment, ich les sie mal eben vor ... "Schade, dass du so abrupt aufgestanden bist. Bei solchen Ansprüchen müsst ihr Single-Frauen euch nicht wundern, dass ihr alleine bleibt." Was zum Teufel meint er? Erstens kann man eine Flucht nach zwei Stunden wohl kaum als abrupt bezeichnen und zweitens verstehe ich nicht, was er mit Ansprüchen meint. Den Anspruch, einen erwachsenen, unabhängigen Mann haben zu wollen? Den Anspruch, ein Gespräch zu führen, in dem nicht nur er redet, sondern zumindest hin und wieder auch ich? Nicht nur, dass mir dieser Kerl zwei Stunden meines Lebens gestohlen hat, mal abgesehen von der Zeit, die ich in unsere Mails investiert habe, nein, er wagt es auch noch, hinterher mir die Schuld in die Schuhe zu schieben. Und was heißt hier überhaupt "Ihr Single-Frauen"? Ist er denn kein Single-Mann? Ist er denn nicht ebenfalls auf der Suche nach der berühmten besseren Hälfte?
    Manche Kerle leiden echt an einer Selbstwahrnehmung, an der man sich Hände und Füße wärmen kann. Meine Füße hätten sich vermutlich viel besser in seinem Hintern gemacht. Ein kräftiger Tritt stellvertretend für alle wahrnehmungsgestörten Idioten dieser Welt! Wie ich aus dieser Erfahrung und meinen zusammenhanglosen Wutausbrüchen eine Kolumne basteln soll, ist mir allerdings gerade schleierhaft. Ich glaube, ich gönne mir erst mal ein großes Glas Rotwein. Besser noch: zwei.
     
    Ein Piepton verkündete das Ende der Aufnahme. Sein Finger wanderte zur Stopp-Taste.
    Single-Dasein? Rotwein? Wie alt waren denn diese Aufnahmen, wenn Meena sich mittlerweile hochschwanger im Beschäftigungsverbot befand? Er schob das Diktiergerät zur Seite und ließ seinen Kopf auf die Handflächen fallen, während ihn der leere Bildschirm des Laptops strafend ansah. Niemand erwartete von ihm, am allerwenigsten er selbst, dass er gleich in der ersten Aufnahme den passenden Stoff für eine Kolumne finden würde. Abgesehen davon würde der Großteil seiner Arbeit ohnehin daraus bestehen, die bisher erschienenen Kolumnen zu prüfen, um keinen der Inhalte zu wiederholen. Trotzdem erwischte er sich bei dem Versuch, die Aufnahme gedanklich nach einem potenziellen Thema abzuklopfen.
    Dabei war es allerdings weniger der Inhalt selbst, sondern vielmehr die Art und Weise, wie sie diesen präsentierte, die ihn verwirrte. Diese Frau hatte eine Stimme, die einen selbst aus der tiefsten Lethargie reißen konnte. Dieser nervöse und gleichzeitig selbstbewusste Unterton. Die Worte, die sie so leichtfüßig aneinanderreihte, als würde sie sie singen. Fast schien es, als würde sie mit den Gedanken jonglieren. Ohne Publikum. Ohne Seil und doppelten Boden. Nur für sich. Und vielleicht gerade deshalb so faszinierend.
    Statt die gedankliche Suche nach einem möglichen Thema für die Kolumne fortzusetzen, gab er dem Drang nach, das Gerät erneut einzuschalten.
    Derselbe Piepton. Dieselbe Stimme.
     
    Vielleicht wird es Zeit, das öffentliche Interesse am Jammern zu teilen oder zumindest vorzutäuschen.
    Jeder regt sich auf. Okay, ich tue es auch. Aber meistens nur über Menschen, die mich in meiner Routine stören, sich taktlos benehmen oder nach anfänglichen Traumprinzambitionen in Schleimfrösche verwandeln. Ansonsten rege ich mich nicht auf. Weder über die Gesellschaft noch über meine Mitmenschen. Auch nicht über zu teuren Käse. Oder zu lange Schlangen an der Kasse. Eigentlich nicht mal über das Wetter. Potenzielles Thema für die Kolumne: Das Talent, die Welt zu mögen. So wie sie ist. Oder doch für einen Artikel das Jammern üben? Die erhobene Faust gegen alles und jeden einstudieren?
    Ich brauche Kaffee!
     
    Piep.

Kapitel 2: Eine Frau namens Oliver
     
     
    Oliver
     
    Ich frage mich, was genau
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