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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke
Autoren: Yasar Kemal
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gratuliere dir, Abdi Aga«, sagte der Landrat. »Du hast dich ja in einem fort bei der Regierung beschwert! Wäre Ali Safa Bey nicht gewesen, dann hättest du den guten Namen unserer Stadt aufs Spiel gesetzt. Zum Glück hat Ali Safa Bey dafür gesorgt, daß deine Depeschen nicht abgeschickt wurden.«
    Abdi Aga riß die Augen auf »Was? Sie sind alle nicht abgeschickt worden?«
    Der Landrat lachte. »Nicht eine. Sei froh darüber - sonst hätten sie dazu ausgereicht, uns beide an den Galgen zu bringen. Sage mal, hattest du eigentlich den Verstand verloren? Wie kann man so nach Ankara telegrafieren!«
    Abdi überlegte einen Augenblick, dann lachte auch er schallend. »Wie gut, daß sie nicht abgegangen sind! Wirklich, der Name unserer Stadt hätte sonst keine fünf Kuruş mehr gegolten. Ja, ja, wenn man zu aufgeregt ist, dann weiß man nicht mehr, was man tut. Es wollte mir nun mal nicht in den Sinn, daß eine mächtige Regierung es nicht mit einem spannenlangen Knaben aufnehmen könnte. Die Nerven sind mir durchgegangen. Ihr dürft mir's nicht nachtragen, Herr Landrat. Verzeiht mir ... «
    Sein nächster Besuch galt dem Gendarmeriekommandanten, dem er seine Freude und Dankbarkeit kundtat. Er fragte ihn auch, ob er dem Sergeanten Asim ein Geschenk machen dürfe, und sprach die Bitte aus, Memeds Kopf solle an der Tür seines Hauses in Değirmenoluk aufgepflanzt werden. Das sei wirkungsvoller, als wenn es hier in der Stadt geschehe. Diesem Ansuchen wurde bereitwillig entsprochen.
    Nach Hause zurückgekehrt, nahm er sich Ali den Hinkenden vor. »Sergeant Asim mag dich ein wenig unfreundlich behandelt haben. Das darfst du ihm nicht nachtragen. Er ist ein Held! Sieh, er hat unseren Feind vom Erdboden vertilgt.«
    Dann ließ er seinem Unmut freien Lauf »Diese Bauern, dies Hungerleiderpack, dies undankbare! Ein ganzes Jahr war ich von ihnen fort, und sie haben mir nicht ein Körnchen abgeliefert. Morgen gehe ich hin. ‚Voriges Jahr war wohl Hungersnot, daß ihr mir meinen Anteil nicht gegeben habt, wie? Ehrloses Pack, undankbare Schurken! Auf Ince Memed habt ihr euch verlassen! Hier habt ihr ihn! Ihr könnt mit seinem schönen Kopf machen, was ihr wollt. Nun, habt ihr ihn jetzt gesehen, euren Ince Memed? jetzt werde ich euch zeigen, was Hungersnot heißt!' Bei Gott, ich werde es ihnen zeigen!«
    Er faßte Alis Hand. »Ali!«
    »Ja, Herr?«
    »Dieses Jahr war die Ernte doch besser als in allen anderen Jahren, nicht wahr?«
    »Zweimal so gut.«
    »Ali!«
    »Ja, Herr?«
    »Wie soll ich diese Bauern bestrafen?«
    »Du weißt es am besten, Herr.«
    Abdi zog seine besten Kleider an, bestrich seine Perlenkette mit wohlriechender Essenz und ließ sich beim Barbier rasieren. Er konnte sich nicht mehr fassen vor Freude. Lachend betrat er Mustafa Efendis Laden.
    »Man freut sich nicht über jemandes Tod, Abdi Aga. Auch wenn es ein Feind ist«, sagte Mustafa Efendi tadelnd. »Man weiß nie, was noch kommt.«
    Er schlenderte von Laden zu Laden durch den ganzen Basar, zeigte überall seinen Triumph und heimste manchen Glückwunsch ein, bevor er sein Pferd bestieg, um nach Değirmenoluk zu reiten. Unterwegs erreichte ihn die schlimme Nachricht.
    »Ince Memed ist Sergeant Asim entkommen. Er war nur verwundet.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Sergeant Asim selbst.«
    »Wo ist der Sergeant Asim?«
    »Er kommt bald. Ich habe ihn in Şabapli gesehen.«
    Abdi Aga wendete sofort sein Pferd. Zusammen mit den Gendarmen ritt er niedergeschlagen wieder in die Stadt ein. Im Hof seines Hauses fiel er fast vom Pferd, aber dann ging er sofort zu Fahri dem Verrückten, dem Bittschreiber.
    »Schreib, Bruder. Direkt an Ismet Pascha! Der Landrat, der Telegrafist, Ali Safa Bey und der Gendarmeriekommandant, sie alle stecken mit Ince Memed, dem Banditen, unter einer Decke. Schreib! Pascha, alle meine Telegramme an dich haben sie unter den Tisch fallen lassen! Schreib das genau so ... «

35
    »Mein Falke hat den Agas das Rückgrat gebrochen«, frohlockte Osman der Mächtige. »Ali Safa Bey mag ruhig versuchen, neue Männer in die Berge zu schicken. Mein Falke wird auch mit ihnen aufräumen.«
    Sie waren auf dem Dorfplatz versammelt, unter dem großen Maulbeerbaum, dessen Blätter schon herbstlich gelb waren.
    »Wir haben alle unsere Felder zurückgewonnen, oder etwa nicht?«
    »Alle.«
    »Und wem haben wir das zu verdanken?«
    »Ince Memed.«
    Osman der Mächtige erhob sich. »Ali Saip Bey, der Volksvertreter, ist aus Ankara gekommen.«
    Alle horchten gespannt
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