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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke
Autoren: Yasar Kemal
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Ich gehe allein. Wer weiß, ob es nicht nur eine Falle ist!«
Bald stand er am Eingang zur Höhle. Er reichte Memed lachend die Hand. »Nimm es nicht so schwer, Ince Memed! Hast dich wacker geschlagen.«
Iraz kauerte zusammengekrochen in der Ecke.
»Ich kann es immer noch nicht recht glauben, Ince Memed«, sagte der Sergeant, als er ihm die Handfesseln anlegte. Memed hielt ihm schweigend seine Hände hin.
Da sprang Iraz vom Boden auf. »Sergeant! Du glaubst, Ince Memed hat vor dir die Waffen gestreckt?«
Sie trat zu dem Neugeborenen und zog die Decke zurück, so daß das mit halbgeschlossenen Augen daliegende Kind zu sehen war.
»Das da hat Ince Memed zur Strecke gebracht! Aber ihr werdet euch jetzt rühmen, was für Männer ihr seid!«
Das kam für Asim unerwartet. Sprachlos blickte er auf Hatçe, auf Iraz und auf Memed. Das Lächeln auf seinen Zügen erstarrte. Dann streckte er die Hand aus und löste Memeds Fesseln. »Ince Memed«, begann er zu stammeln, aber gleich verstummte er wieder. Die beiden blickten sich stumm in die Augen.
»Ince Memed! ... « Die Stimme des Sergeanten dröhnte in der Höhle. »Ince Memed! Es wäre nicht meine Art, dich in dieser Lage gefangenzunehmen!« Er zog fünf Streifen Munition aus dem Gurt, warf sie auf den Boden. »Da, schieße hinter mir her.« Er stürzte laut rufend aus der Höhle, während Memed nach ihm her in die Luft schoß.
Bei seinen Gendarmen angekommen, rief Asim atemlos: »Dieser Schurke und sich ergeben! Eine niederträchtige Finte, um mich niederzuknallen! Hätte ich mich nicht im letzten Moment auf die Erde geworfen, dann wäre es um mich geschehen gewesen. Ein Glück, daß ich mich vorsichtig bewegt habe. Jetzt müssen wir sehen, daß wir hinunterkommen. Ein Unwetter braut sich zusammen. Wenn wir uns nicht beeilen, kommen wir um!«
Die Gendarmen, müde und mitgenommen von dem Feuergefecht mit Memed, warfen noch einen letzten Blick auf die Höhle, dann machten sie sich an den Abstieg. Um das Massiv brodelten schon schwarze Wolken. Es begann zu schneien. Bald darauf brach das Unwetter los. Gegen Abend hatte der von Fels zu Fels rasende Schneesturm den Berg in eine tobende weiße Hölle verwandelt. Der Gipfel war nicht mehr zu erkennen. Um ihn lag alles in einer kochenden weißen Gischt.

34
    Im Dorf und in der Kreisstadt verbreitete sich mit Windeseile die Nachricht, Ince Memed sei erschossen worden. Sein Leichnam werde ins Tal gebracht werden, wenn der Schneesturm sich gelegt habe. Die Augen der Leute von Değirmenoluk hefteten sich auf den sturmumtosten Gipfel des Alidağ. Er, der majestätische Berg aller Berge, war also stärker gewesen als Memed. Alle blieben in ihren Häusern. Sie warteten auf Abdi Aga. Sobald er die Nachricht hörte, würde er zurückkehren.
    Die Bauern von Vayvay hatten Ali Safa Bey Stück um Stück ihres Ackerlandes wieder abgerungen. Osman den Mächtigen hatte der Triumph um Jahre verjüngt. Er war zu offenem Widerstand gegen den Bey übergegangen.
    Nun kam auch nach Vayvay die Nachricht, Memed der Falke sei tot. Als Osman der Mächtige es hörte, schien er wie gelähmt. Tränen strömten ihm aus den Augen; lange Zeit konnte er kein Wort herausbringen. Dann aber klagte er um seinen Helden: »Oh, mein Falke, mein Tapferer! Was hattest du für große Augen, was für dichte Brauen, was für schlanke Finger! Zypressengleich war dein Wuchs, mein Falke. ‚Onkel Osman', sagtest du zu mir, ‚eines Tages werde ich in deinem Hause zu Gast sein!' Es hat nicht sein sollen. Er hatte seine junge Frau bei sich. Was wird sie nur anfangen, die Ärmste? Hört, Freunde: Memed hat uns aus den Händen dieser Ungläubigen befreit. Nun müssen wir seine Frau zu uns holen und für sie sorgen. Wir wollen ihr ein Stück Land geben. Wenn sie ins Gefängnis kommt, dann müssen wir auch dafür sorgen, daß sie dort keinen Mangel leidet.« Alle Bauern stimmten ihm zu, trotz der Furcht vor Ali Safa Bey, die sich jetzt wieder in ihre Herzen eingeschlichen hatte.
    Nun eilte Abdi Aga gleich zu Ali Safa Bey. Er traf den Bey nicht zu Hause an. Seine Frau sagte zu ihm: »Aber ich habe es dir ja gleich gesagt. Jeder findet die Strafe, die er verdient.«
    »Danke, meine Tochter«, gab Abdi Aga zur Antwort und ging wieder.
    Er lief weiter, zum Landrat. »Allah möge nie Ungemach über die Regierung bringen, Herr Landrat!« rief er aus, nachdem er die Hand und den Rocksaum des Beamten geküßt hatte. »Sergeant Asim ist ein Held; alles würde ich für ihn tun!«
    »Ich
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