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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke
Autoren: Yasar Kemal
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Bernstein klappern. Er hatte ein scharf geschnittenes, längliches Gesicht, auffallend kleine blaugrüne Augen und rosige Wangen.
    »Na? Was willst du denn wieder? Laß hören!«
    Döne stand gebeugt und händeringend vor ihm. »Aga, mein Memed ist noch nicht vom Feld zurück. Ich wollte nur fragen, ob er vielleicht bei Euch ist ... «
    Abdi Aga erhob sich drohend. »Ei! Sieh mal einer an! Er ist noch nicht zurück! So ein verfluchter Hundesohn! Und wo sind meine Ochsen? Was?«
    Er watschelte so eilig zur Tür, daß die Rockschöße seines Hausgewands flatterten. »Dursun! Osman! Ali! Wo seid ihr?!« Aus drei Richtungen hörte man es antworten: »Hier, Aga!«
    »Sofort hierher mit euch!«
    Blitzartig tauchten drei Gestalten aus dem Dunkel auf Einer von ihnen war Dursun, ein grobschlächtiger Mensch in den Vierzigern. Die anderen waren junge Burschen von etwa fünfzehn Jahren.
    »Hört zu, ihr drei!« dröhnte der Aga. »Ihr macht jetzt, daß ihr hinaus aufs Feld kommt, und sucht mir diesen Hundesohn. Und vor allem meine Ochsen. Kommt mir ja nicht ohne die Ochsen wieder zurück. Habt ihr verstanden?«
    Dursun sagte: »Wir haben uns ja schon gewundert, wo Memed geblieben ist. Wir wollen gehen und ihn suchen.«
    Döne brach in lautes Schluchzen aus.
    »Still, du!« herrschte Abdi Aga sie an. »Man hat schon genug Ärger mit deinem Hundesohn. Das eine kann ich dir sagen, wenn mit meinen Ochsen etwas ist, dann bleibt ihm kein Knochen im Leibe ganz! Darauf hast du mein Wort!«
    Dursun, Ali und Osman marschierten ins Dunkel hinaus. Die Frau lief hinter ihnen her.
    »Bleib nur, Schwester. Wenn er überhaupt zu finden ist, dann finden wir ihn. Du kannst uns dabei nichts nützen. Wer weiß, ob ihm nicht irgendwas Dummes passiert ist, daß er sich jetzt nicht heimtraut. Vielleicht ist der Holzpflug hin. Oder das Joch kann ihm gebrochen sein. Kann jedem so gehen, aber so ein Junge hat dann gleich Angst vor Strafe ... Hörst du, Döne? Kehr um, wir finden ihn, wir bringen ihn dir zurück.«
    Döne flehte Dursun an: »Um Allahs willen, bring mir meinen Kleinen wieder! Ich vertraue ihn dir an, dich hat er doch gern ... «
    Dann kehrte sie in ihre Hütte zurück. Die Schritte der drei verloren sich in der Nacht. Ihre Füße fanden die vertrauten Pfade auch in der Dunkelheit. Erst kam der kleine Steinacker, dann stieg es steil an, sie mußten über die Felsen. Als sie die Felsen hinter sich hatten, setzten sie sich, um zu verschnaufen. Niemand sprach ein Wort. Es war stockfinster, und die Totenstille in den Bergen wurde nur von dem leisen Sirren fliegenden Kleingetiers unterbrochen.
    Dursun beendete als erster das Schweigen. Er sprach in die Nacht hinein, wie zu sich selbst: »Was ist mit dem Jungen? Wo mag er hin sein?«
    »Wer kann das wissen?« sagte Osman.
    »Wißt ihr, was der Memed zu mir gesagt hat?« ließ sich Ali vernehmen. »'Ich gehe in das Dorf', hat er gesagt 'Lieber will ich draufgehen, als hierbleiben', hat er gesagt.«
    »Er wird doch nicht so verrückt gewesen sein, zu verschwinden! Das wäre ja der reine Wahnsinn«, meinte Dursun erschrocken. »Recht hat er, wenn er fort ist«, murmelte Ali zwischen den Zähnen.
    »Zehnmal recht hat er!« pflichtete Osman bei.
    »Wie wir's haben, ist's schon besser, gleich zu verrecken!« bekräftigte Ali.
    »Wir sollten auch alle miteinander von hier weg«, meinte Osman. »Nach der Çukurova.«
    »Die Çukurova ist gar nicht mal so weit«, sagte Dursun, »und der Boden bei uns im Dorf, wenn ich nur daran denke ... «, fuhr er fort. »Wißt ihr, schuften muß man ja auch dort, aber man ist dabei sein eigener Aga. Keiner, der einem dauernd dazwischenredet, kein Treiber und Aufseher. Die Felder müßtet ihr mal zur Erntezeit sehen! Ihr meint, es liegen Wolken auf der schwarzen Erde. Das ist alles Baumwolle! Da wird ruck, zuck geerntet, und dann bringt das was ein! Zehn Kuruş das Okka. Da hat man im Herbst fünfmal soviel auf der Hand wie bei Abdi Aga im ganzen Jahr! Da gibt es eine Stadt, die heißt Adana. Die ist ganz aus Kristall. Die glänzt Tag und Nacht wie die Sonne. Darin kann man ewig umherlaufen. Straßen zwischen den Häusern, eine einzige Pracht. Dort fahren Eisenbahnen, ständig kommen und gehen die dort. Auf dem Meer schwimmen Schiffe, jedes so groß wie ein Dorf. Die fahren bis ans Ende der Welt. Alles ist voller Lichterglanz, daß man sich nicht satt sehen kann. Geld, das gibt es in der Çukurova wie Heu. Du brauchst nur zu arbeiten ... «
    Das dieser Schilderung
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