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Melina und das Geheimnis aus Stein

Melina und das Geheimnis aus Stein

Titel: Melina und das Geheimnis aus Stein
Autoren: Marlene Röder
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ganzen Tag in der Luft liegt. Vor der ich mich bisher gedrückt habe, weil ich mich vor Wills Antwort fürchte: „Was willst du dann?“
    Will zuckt die Achseln und blickt an mir vorbei, über die Mauer, hinüber zu den Häusern. Man merkt, dass der Herbst kommt, denn es wird jetzt schneller dunkel. Die Fenster leuchten hell und einladend in der Dämmerung.
    „Er will auf die andere Seite, ist doch klar!“, mischt sich Pippa ein. „Er will endlich etwas anderes sehen als diesen ollen Friedhof! Stimmt doch, Will?“
    Will nickt. Zum ersten Mal an diesem Tag schaut er mich richtig an. „Geht das denn?“, flüstert er mit leuchtenden Augen.
    Ich mustere ihn von oben bis unten. In den letzten Tagen hat er ein bisschen Farbe im Gesicht bekommen. Auch seine Haare schimmern im ersten Licht der Straßenlaternen nicht mehr wie Schnee, sondern sind zu einem Weißblond vergilbt. Aber mit den Flügeln und den komischen Klamotten, die aussehen, als hätte er sich ein Bettlaken umgewickelt … „So wie du jetzt rumläufst, geht das auf keinen Fall“, urteile ich. „Du siehst aus wie ein Freak.“
    Wills lächelndes Gesicht fällt in sich zusammen.
    „Meinst du nicht, eine Mutter mit Traurigkeitskrankheit reicht? Willst du, dass deine Statue das auch noch kriegt?“, schimpft Pippa und krabbelt von meiner Schulter auf Wills, um sein Ohr zu kraulen.
    Ich möchte auch, dass jemand mein Ohr krault, denn ich fühle mich schlecht. „Na ja, du bräuchtest dringend normale Kleider statt diesem Ding hier“, murmele ich und zupfe an Wills Bettlaken-Gewand. Überrascht stelle ich fest, dass es sich zwar schwer anfühlt, aber nicht wie Stein, eher wie Stoff.
    „Du kannst mir Kleider mitbringen, ja?“, fragt Will eifrig. „Bitte, Melina.“
    Mir fällt alles Mögliche ein, was dagegen spricht. Aber Pippa und Will gucken mich so hoffnungsvoll an, dass ich sie nicht enttäuschen kann.
    „Mal sehen, was sich machen lässt“, grummele ich.
    „Danke!“ Will strahlt und springt von der Friedhofsmauer. „Wer als Erster beim Sockel ist!“
    Auf dem Heimweg streite ich mit Pippa.
    „Wo sollen wir Kleider für ihn herbekommen? Mein Taschengeld reicht nicht, um welche zu kaufen.“
    „Wir lassen uns was einfallen“, antwortet Pippa, die auf meiner Schulter durch den Abend reitet. Sie bleibt ganz ruhig, doch ich werde immer aufgeregter.
    „Und was ist mit seinen Flügeln, bitte schön?“, rufe ich und meine Stimme überschlägt sich fast. „Hast du die vergessen? Wenn andere Leute sie sehen, flippen sie aus. Willst du die wegradieren oder was?“
    „Wir lassen uns was einfallen“, wiederholt Pippa. „Vertrau mir, ich hab da schon eine Idee …“
    Ein paar Tage später versuchen wir, Pippas Idee in die Tat umzusetzen.
    „Wieso bin ich eigentlich immer die Blöde bei deinen tollen Plänen?!“, zische ich Pippa zu, die sicher in der Tasche meiner Turnhose steckt. „Wenn sie uns erwischen, glaubt mir doch keiner, dass du mich angestiftet hast. Du tust so, als wärst du nur eine harmlose kleine Playmobil-Figur, und ich kriege den ganzen Ärger!“
    „Dann darfst du dich einfach nicht erwischen lassen!“, entgegnet Pippa und zwickt mich durch den Hosenstoff ins Bein. „Hör auf zu quatschen und los!“
    Die Gelegenheit ist günstig. Diese Doppelstunde machen wir ein Fußballturnier mit der 6a, und vier Kinder sind gerade dabei, die Mannschaften zu wählen. Zuerst werden immer die gewählt, die gut Fußball spielen können oder beliebt sind. Während die Mannschaften sich formieren, stehen die Übriggebliebenen rum und tun so, als würde es ihnen nichts ausmachen, als Letzte gewählt zu werden.
    Ich gehöre immer zu den Letzten. Aber heute ist das gut, denn das bedeutet, dass ich mich unauffällig davonschleichen kann.
    Ich flitze in die Mädchenumkleide und hole meinen Turnbeutel, dann flitze ich zur Umkleidekabine für die Jungs. Ich drücke die Klinke herunter. Glück gehabt! Nicht abgeschlossen! Die Tür schwingt auf und gibt den Blick auf einen lang gezogenen Raum frei. Am Ende des Schlauches ist eine weitere Tür, die wahrscheinlich zu den Klos und Duschen führt. Aber das interessiert mich jetzt nicht. Mich interessieren die Bänke an den Wänden, auf die die Jungs ihre Kleidung geworfen haben.
    „Schnell!“, drängt Pippa. „Du hast nur ein paar Minuten!“
    Ich wühle mich durch die Klamottenhaufen. Es riecht nach Schweiß und Kaugummi. Von jedem Haufen nehme ich nur eine Sache weg, damit es nicht so
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