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Melina und das Geheimnis aus Stein

Melina und das Geheimnis aus Stein

Titel: Melina und das Geheimnis aus Stein
Autoren: Marlene Röder
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ich. „Ich hol schon mal das Popcorn!“
    Ich weiß noch, wie Mama mir das erste Mal gezeigt hat, wie das mit dem Popcorn funktioniert. Sie hat Maiskörner in einen Topf mit heißem Öl gefüllt und wir haben zusammen beobachtet, wie sie sich mit einem Popp verwandelten und wild in der Küche herumsprangen, sobald man den Deckel abnahm. „Was für eine Sauerei!“, hat Paps geschimpft, aber Mama hat nur gelacht und gesagt: „Melina und ich machen ein Experiment. Das muss man als Kind erlebt haben!“
    Manchmal ist sie ein bisschen verrückt, meine Mutter.
    Diesmal machen wir das Popcorn in einem Fertigbeutel in der Mikrowelle. Aber der Duft, mit dem sich die Küche füllt, ist derselbe wie damals. Das Popcorn springt gegen die Wände der Verpackung und bläht den Beutel auf. In mir hüpft es auch. Jessie lag falsch, Mama ist nicht krank, es geht ihr besser! Bald wird alles so sein wie früher.
    Mama schneidet den Beutel auf und kippt den Inhalt in eine Schüssel. Aber als ich hineingreife und mir eine Handvoll frisches, honigsüßes Popcorn in den Mund stopfen will, merke ich, dass es nicht so ist wie früher. Fast hätte ich alles wieder ausgespuckt, denn das Popcorn schmeckt ganz salzig.
    „Ist was mit dem Popcorn?“ Mama greift jetzt selbst in die Schüssel, probiert, kaut und verzieht das Gesicht. „Ich habe die verkehrte Sorte gekauft. Wie konnte das passieren? Selbst beim Einkaufen mache ich alles falsch.“ Sie will das Popcorn in den Müll kippen, aber ich halte ihren Arm fest.
    „Mama, das ist doch nicht schlimm. Es schmeckt lecker!“, lüge ich und würge von dem ekligen Salzzeug hinunter, so viel ich schlucken kann. Dann ziehe ich sie rüber ins Wohnzimmer, stelle die Popcorn-Schüssel auf den Tisch, breite unsere Kuscheldecke über uns und schalte den Fernseher ein.
    Der Film ist interessant. Es geht um eine Gegend hoch im Norden Europas, die Lappland heißt. Der Frühling dort ist kurz, aber wunderschön, mit unzähligen winzigen Blumen. Aber Mama schaut gar nicht richtig hin. Ihre Gedanken sind wieder weit weg, vielleicht oben, in Jonas’ Zimmer. Im Winter ist es in Lappland eisig kalt. Es wird auch kaum richtig hell, monatelang. Dafür kann man manchmal die Polarlichter sehen, die wie bunte Schlieren über den Nachthimmel laufen.
    „Die sehen wunderschön aus. Meinst du, wir können da mal hinfahren und sie uns anschauen?“, frage ich und werfe einen scheuen Blick rüber zu Mama. „Ich meine nur, wir könnten doch mal wieder Urlaub machen?“ Das war der falsche Satz. Wir wollten im Sommer nach Italien ans Meer fahren. Mit Jonas. Ich will die Worte wieder zurück in meinen Mund stopfen und runterschlucken. Da sollen sie liegen bleiben, tief unten auf dem Grund meines Magens, bei dem Klumpen Salz-Popcorn.
    Im blauen Licht des Fernsehers sehe ich, dass Mamas Gesicht wieder zu versteinern beginnt. Bis die Mundwinkel so schwer sind, dass sie sich nicht mehr für ein Lächeln heben können, bis selbst ihre Stimme so flach und farblos klingt wie die Eiswüste von Lappland. „Ich weiß nicht, Maus. Lappland ist sehr weit weg.“
    Dann schweigen wir wieder. Das Popcorn knistert zwischen meinen Fingern wie harscher Schnee. Mama hat die Augen geschlossen.
    „Los, frag sie!“, drängt Pippa. Also nehme ich all meinen Mut zusammen und frage: „Bist du krank, Mama? Hast du …“ Ich suche nach Jessies Wort in der Ärztesprache. „Hast du Depressionen?“
    Mama antwortet nicht.
    Viele Tiere in Lappland halten Winterschlaf in ihren Höhlen. Sonst könnten sie in der Kälte gar nicht überleben.
    „Wach auf“, flüstere ich und streiche Mama über den Kopf, über das strähnige Haar. Ich konzentriere mich so stark wie noch nie. Bei Will klappt es doch auch. „Wach endlich auf!“
    Aber nichts passiert. Wie seltsam, dass ich einen Stein aufwecken kann, aber nicht meine eigene Mutter.
    Das Popcorn schmeckt salzig. Vielleicht hat jemand reingeweint.

Neue Kleider
    „Was ist mit Versteckspielen? Ich fang auch an mit Suchen.“ Dieses Angebot kann er unmöglich ausschlagen.
    Aber Will schüttelt den Kopf. Egal was ich heute vorschlage, er hat keine Lust. Seit Stunden sitzen wir jetzt schon auf der blöden Friedhofsmauer und starren Löcher in die Luft.
    „Du bist echt ein Langweiler, weißt du das?“
    Kein normaler Junge würde das auf sich sitzen lassen. Doch Will spielt Statue und zeigt keine Reaktion. Soll das jetzt die ganze Zeit so weitergehen?
    Also stelle ich endlich die Frage, die schon den
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