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Meleons magische Schokoladen

Meleons magische Schokoladen

Titel: Meleons magische Schokoladen
Autoren: Ann-Merit Blum
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betrachtete sie forschend.
    „Sind Sie sicher, dass Sie das möchten? Schokolade ist nicht so harmlos, wie man meinen könnte. Manchem Adepten hat sie schon die Haut aufgeätzt. Anderen ist Schlimmeres widerfahren. Schokolade zeigt sich einfach und ist doch schwierig. Sie bedarf einer feinfühligen Hand. Haben Sie solche Hände, Isabell?“
    Sie streckte die Hände aus.
    „Was meinen Sie? Sind sie geeignet?“
    Meleon nahm sie sacht und betrachtete sie im zuckenden Licht der Lampe.
    „Sie sind feinfühlig, sensibel und stark. Das sagen nicht nur Ihre Hände. Aber haben Sie auch Leidenschaft? Die Leidenschaft, derer es bedarf, wenn man Herzen gleich zu Dutzenden brechen und Menschen verführen möchte, ohne auch nur das Wort an sie zu richten? Leidenschaft, die die Pupillen weitet, Sehnsüchte weckt und schließlich Erfüllung schenkt?“
    Isabell entzog ihm ihre Hände.
    „Reden wir noch über Schokolade?“, fragte sie.
    „Oh, ja. Nur und ausschließlich über Schokolade. Niemand ohne Leidenschaft kann wirklich große Schokoladen machen.“
    „Ich habe Leidenschaft“, sagte Isabell. „Aber ich weiß nicht, ob das genug ist.“
    „Das wird sich dann zeigen.“

Phineas

    Meleon hatte vieles zu lehren.
    Unter seiner Anleitung faltete Isabell Papiermanschetten, klebte vorgefalzte Pappe zu Pralinenschachteln und wusch Abtropfgitter. Gemeinsam verlasen sie Rosinen, dörrten Birnen und kandierten Zitronenschale. Isabell füllte Konfekt in Tütchen. Sie schnitt Früchtebrot in akkurate Scheiben, bestäubte noch warmes Gebäck hauchfein mit Puderzucker und arrangierte es auf silbernen Platten.
    Schokolade durfte sie nicht verarbeiten, ehe der Oktober schon beinahe vorüber war. Als Erstes hatte sie Schokoladenlocken von der Marmorplatte abzuziehen, wo die Masse sofort nach dem Auftragen fest wurde. Diese Locken wurden in Papiertüten gefüllt und in dieser Form als Rohstoff für die Pralinenfertigung verwendet. Meleon gab in seinen Rezepten alle Mengen in Tüten, Bechern und Löffeln an.
    „Eine Waage braucht man nur, um Gift zu mischen oder Sekoy zu machen“, sagte er stets, wenn Isabell etwas abwiegen wollte.
    Also lernte sie, Zutaten aus dem Handgelenk zu dosieren und sich auf ihr Augenmaß zu verlassen.
    Meleon hatte Isabells Französischlehrerin einen Besuch abgestattet, vorgeblich, um bestelltes Konfekt auszuliefern. Die würdige Dame war danach bereit, zu beschwören, dass Isabell dreimal wöchentlich zu ihr kam, um Verben zu konjugieren und den Gebrauch der Präpositionen zu üben, auch wenn sie in dieser Zeit in Wirklichkeit in Meleons Küche stand.
    Ihre Eltern waren damit fürs Erste befriedet und sie konnte sich ganz der Kunst der Pralinenherstellung widmen.
    Über ihre wundersame Verwandlung in eine große Katze hatte sie mit Meleon nicht wieder gesprochen. Sie zog es vor, die Sache als Halluzination zu betrachten, obwohl das Loch in der Hintertür eindrucksvoll Zeugnis von dem Vorfall ablegte. Meleon trug auch immer noch die Spuren der scharfen Krallen, die er jedermann gegenüber als Verletzungen bei einem Sturz ausgab.
    Der November rückte heran. Das Wetter wurde unleidlich und Isabell war jedes Mal froh, in den gemütlichen Laden zu kommen, ihre Tasse Kaffee zu trinken und sich dann in der angenehm temperierten Küche ans Werk zu machen, während draußen kalter Regen fiel.
    Sie lernte, Schokolade zu schmelzen, mit dem Handrücken zu prüfen, ob die Schüssel über dem Wasserbad nicht zu heiß geworden war, und so das gefürchtete Gerinnen der Masse zu verhindern. Aber sie arbeitete immer noch mit bereits vorbereiteter Schokolade, die jenen zarten Schmelz besaß, den nur Meleon seinen Kunden zu bieten wusste.
    Sie drängte ihn häufig, das Geheimnis dieser wunderbaren Konsistenz preiszugeben, doch er lächelte jedes Mal und schüttelte den Kopf.
    „Noch nicht“, sagte er.

    Einmal kam sie abends in die Küche und fand einen offenen Kasten mit Sekoy auf dem Tisch. Weiße Kachmar und braune Dashân saßen nebeneinander in den Vertiefungen und verströmten einen Duft, bei dem ihr buchstäblich das Wasser im Mund zusammenlief.
    Eine braune Schokoladenkatze fehlte.
    Isabell schob die Schachtel fort, um nicht in Versuchung zu geraten. Sie rief nach Meleon, doch er antwortete nicht. Niklas stand vorne im Laden und bediente die letzte Kundin des Tages, die offenbar nicht so leicht zufrieden zu stellen war, und ihn bereits eine Viertelstunde über die Öffnungszeiten hinaus beschäftigt hielt.
    Isabell
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