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Meleons magische Schokoladen

Meleons magische Schokoladen

Titel: Meleons magische Schokoladen
Autoren: Ann-Merit Blum
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würden.“
    „Heißen sie so?“
    „Ja, die Weißen. Die Dunklen sind Dashân.“
    „Und ich dachte, sie heißen Sekoy.“
    Meleon leckte sich Schokolade von den Lippen.
    „Sekoy sind die Diener und Boten des Königs. Berufen und entlassen nach seinem Bedarf. Sie können viele Formen annehmen.“
    „Oh, nicht doch! Sie meinen doch nicht, dass diese Greifen und Einhörner und all die anderen merkwürdigen Tiere, die ich vor einem Monat gesehen habe, auch…“
    „Sekoy sind? Doch. Sobald sie gegessen werden, entfaltet sich ihre Gestalt. Ich hoffe nur, Isabell, Sie haben gelernt, die Finger davon zu lassen. Es bringt unendlich viele Schwierigkeiten, wie wir ja gesehen haben. Bitte essen Sie nie wieder Schokoladenfiguren, nicht einmal Wichtel. Und verstehen Sie bitte, Isabell: das ist kein Scherz! Es ist nichts anderes, als der Versuch, in einer Situation der Gefahr einen Herrscher zu schützen.“
    „Vor seinen eigenen Untertanen?“
    Meleon nickte.
    „Kurz gesagt: ja! Jedenfalls vor einem nicht unwesentlichen Teil davon.“
    „Hat er sich unbeliebt gemacht? War er ungerecht?“, fragte Isabell.
    „Ungerecht? Ist nicht jeder Herrscher bisweilen ungerecht?“
    „Der Kaiser ist bestimmt niemals ungerecht!“
    Meleon schien amüsiert.
    „Sprechen wir von demselben? Kaiser Wilhelm?“
    „Welchem sonst?“
    „Ja, welchem sonst? Aber er ist auch nicht fester gegründet und eines Tages mag auch ihn eine Revolution davon schwemmen.“
    „Wenn Sie eine solch philosophische Anschauung pflegen, weshalb bemühen Sie sich dann überhaupt?“, fragte Isabell spitz.
    Meleon sah zum Fenster, an dem ein Fernglas auf einer Messinghalterung stand.
    „Weil man uns auch hier nicht in Ruhe lässt. Sie haben es ja gesehen. Phineas hat mich ausfindig gemacht. Aber bemühen Sie sich bitte nicht, die außerordentliche komplizierte Politik meine Heimatwelt zu durchschauen – jedenfalls nicht gleich beim ersten Gespräch. Ich muss sagen, ich bin überhaupt überrascht, dass Sie das alles so gut aufnehmen.“
    „Vielleicht liegt es an der Schokolade“, sagte Isabell und betrachtete die Neige in ihrer Tasse.
    Meleon schien geschmeichelt.
    „Sie macht es natürlich einfacher. Aber darüber hinaus müssen sie ein festes Herz besitzen, um eine Verwandlung wider Willen schon am folgenden Tag so gelassen aufzunehmen.“
    „Ich behandle das Ganze als einen Traum. Trotzdem möchte ich diesen Traum verstehen.“
    Meleon stand auf und blies auf die Glut in der Lampe. Sekundenlang wurde es sehr hell im Raum, dann strömte mehr Rauch aus den fein ziselierten Schlitzen. Im Licht sah Isabell die Wunden auf Meleons Wange und Hals in grellem Rot aufscheinen.
    „Wird es heilen?“, fragte sie impulsiv. „Oder werden Narben zurückbleiben?“
    „Manche Narben trägt man gern“, erwiderte Meleon leichthin.
    „Herr Meleon – Sind Sie so etwas wie ein Zauberer?“
    Er setzte sich wieder und seine dunklen Augen blitzten.
    „Ja, Isabell“, sagte er. „Ich bin ein Zauberer, ein Magier, ein Hexenmeister. Ein Zauberer im Exil. Ein Magier, der viel von seinen mächtigsten Werkzeugen eingebüßt hat. Hier besinne ich mich auf Dinge, die ich vor langer Zeit gelernt habe, und die mir damals gering schienen.“
    „Und dazu gehört es, Schokoladen zu machen?“
    „Heute meine ich, dass es vielleicht der bedeutendste Zauber war, den meine Lehrmeister mir übertragen haben. Damals habe ich zu wenig auf die Einzelheiten geachtet und muss mir nun vieles aus eigener Kraft aneignen.“
    „Ich wünschte, ich könnte so etwas“, sagte Isabell. „Ich kann kochen. Ganz passabel sogar. Dazu sticken, nähen und Haushaltsbücher führen, Klavierstücke so vortragen, dass niemand sich die Ohren zuhält, und holpernd und lustlos französische Konversation machen. Was eine junge Frau eben darf.“
    Sie seufzte.
    „Und Sie können einem bescheidenen Schokoladenmacher schmeicheln, indem Sie seine bescheidene Kunst größer machen, als sie es ist“, sagte Meleon. Er räumte die Tassen fort. „Wenn wir gerade davon sprechen, was junge Damen dürfen und was nicht, so würde ich empfehlen, nun wieder nach Hause zu gehen. Soviel ich weiß, ist Ihre Frau Mutter alles andere als angetan von Ihren allzu häufigen Besuchen hier.“
    Isabell stand auf.
    „Herr Meleon! Können Sie mir beibringen, solche Pralinen zu machen?“
    Er drehte sich zu ihr um.
    „Sekoy?“, fragte er.
    „Nein, nein. Ich meine richtige Pralinen. Trüffel, Nougat, Fruchtpasteten…“
    Meleon
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