Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb

Titel: Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
damals bin, zu dem ein Echo gesprochen hat, und dass kein Mensch mir das glauben wird.
    Und als ich hinter dem Regen die Lichter des Wehrs sah, dachte ich, dass es mir total egal ist, ob mir jemand das glaubt. Ich würde sowieso niemandem davon erzählen. Außer vielleicht Annalena.
    Außer Annalena vielleicht.
    Außer Annalena.
    Vielleicht.

Neunzehn
    Immer noch Freitag
    Sehr große Konferenz am runden Tisch. Sechs Erwachsene in trockenen Klamotten, zwei in trockenen Uniformen. Von mir floss der Regen nur so runter. Auf dem Kopf hatte ich ein Handtuch. Nachdem meine Ma mir die Tür geöffnet und mir ohne Vorwarnung eine runtergehauen hatte, hatte sie aus dem Badezimmer ein Handtuch geholt und es mir ins Gesicht geworfen. Dann ging sie ins Wohnzimmer zurück, und ich stand noch eine Zeit lang im Flur.
    Die Uniformen waren Polizeiuniformen.
    Auf dem Tisch standen zwei Mineralwasserflaschen und Gläser.
    Als ich ins Zimmer ging, kam einer der Männer, die ich nicht kannte, auf mich zu.
    »Da bist du ja endlich wieder«, sagte er.
    Mein Vater, der auch dasaß, sagte nie so was.
    »Ich heiße Franz-Josef Reiter«, sagte der Mann. »Ich bin von der Kripo, Vermisstenstelle, wir sind dabei, dich offiziell zu suchen. Ich wollte gerade unseren Hubschrauberanfordern. Aber das brauche ich jetzt zum Glück nicht mehr. Wo warst du, Simon?«
    Mein Vater hatte mich noch kein Mal angeschaut. Meine Ma starrte den Tisch an.
    Zwischen meinen Füßen, die nackt waren, weil ich auch noch meinen rechten Chuck und die Socken unterwegs verloren hatte, breitete sich eine Pfütze aus. Meine Jeans klebte an mir, genau wie mein Hemd, das ich heut Morgen frisch angezogen hatte.
    »Sind Sie ein Kommissar?«, fragte ich.
    »Hauptkommissar. Wo warst du, Simon?«
    Obwohl ich so müde war, dass ich schon schwankte, fiel mir seine Stimme auf. Die war rau und tief. Plötzlich überlegte ich, ob Echo die Stimme gefallen hätte. Keine Ahnung, wieso ich das überlegte.
    »Simon?«, sagte der Kommissar.
    Und ich antwortete: »Ich war im Englischen Garten.«
    »Den ganzen Nachmittag und abends?«
    »Ja.«
    »Warst du allein dort?«
    »Ja.«
    »Warum warst du im Englischen Garten?«
    »Weil ich meine Stimme verloren hatte.«
    Mit so einer Antwort hatte er nicht gerechnet. Das war ja klar.
    Er sah sich zu meinen Eltern um, die beide gleichzeitig den Kopf hoben. Mein Vater warf mir einen seiner finsterenBlicke zu, von denen man nie weiß, was sie eigentlich bedeuten. Im nächsten Moment kann er wieder ganz anders schauen. Diesmal nicht. Diesmal verfinsterte er das Zimmer mit seinem Blick.
    »Und im Englischen Garten hast du deine Stimme wiedergefunden«, sagte der Kommissar.
    »Ja.« Es gefiel mir, einfach Ja zu sagen.
    »Du bist von der Schule direkt in den Englischen Garten gelaufen?«
    »Ja.«
    »Deinen Schulranzen hast du in der Schule gelassen.«
    »Ja.«
    »Dann musst du dich bei deinem Freund Vitali bedanken, der hat ihn dir nach Hause gebracht.«
    »Ja.«
    »Deine Eltern hatten große Angst um dich, Simon«, sagte der Kommissar.
    »Ja«, sagte ich.
    »Sollen wir einen Arzt holen, der dich untersucht?«
    Fast hätte ich aus Versehen Ja gesagt. »Nein«, sagte ich. »Ich würd mich gern abtrocknen und dann schlafen gehen.«
    Normalerweise rastet meine Ma aus, wenn Wasser aufs Parkett tropft. Jetzt stand ich schon in einem See, und sie sagte kein Wort.
    »Du solltest dich bei deinen Eltern entschuldigen, Simon«, sagte der Kommissar.
    Ich wischte mir mit dem Handtuch übers Gesicht. »Entschuldigung.«
    Plötzlich schrie mein Vater: »So ein Irrsinn!«
    So laut hatte er noch nie geschrien. Er hatte genauso laut geschrien wie ich auf der Vogelinsel.
    Danach war es fünf Sekunden lang still im Wohnzimmer. Kein Echo.
    Der andere Mann, der keine Polizeiuniform trug, hatte so was wie einen Block vor sich liegen. Er klappte ihn zu und stand auf. Die zwei Uniformpolizisten standen auch auf. Dann standen auch meine Eltern auf.
    Alle sechs Erwachsenen schauten mich an. So viele Augen hielt ich nicht aus. Ich senkte den Kopf.
    »Du hast ja eine Beule am Kopf«, sagte der Kommissar. Besser als eine Eule, dachte ich und kicherte.
    Nachher im Bett kicherte ich immer noch. Beule, Eule, dachte ich, Beule, Eule, Beule, Eule. Als wäre ich mein eigenes Echo.
    Wieso, fragte ich mich, hat dieser Narziss die schöne Nümpfe so schlecht behandelt? Wieso ist der weggelaufen wie ein Depp?
    So wie ich. Ich wollte sofort wissen, was aus ihm geworden ist.
    »Echo?«, flüsterte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher