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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
Autoren: Christian Frascella
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regnerischen Nacht trennte.
    »Deine Arbeit?«, fragte er nach einer Weile mit großer Mühe.
    »Läuft bestens.« Ich erzählte ihm, dass ich Tiefzieher an der härtesten Pressenstraße der Trak werden würde. Dann sprach ich von dem Abkommen mit Giulio, sagte, ich würde morgen den Vertrag unterschreiben. Ich schmückte meine Aufgaben etwas aus und beschrieb mit geheuchelter Begeisterung die Arbeitsumgebung.
    »Ist es das, was du willst?«
    Ich versuchte, überzeugend zu wirken. »Ja, es ist das, was ich will.«
    »Ich hatte mir für euch beide etwas Besseres erhofft«, sagte er. Sein Blick verlor sich in der Ferne.
    Das tat mir weh, aber ich steckte den Schlag ein – ich war ein geborener Einstecker. »Du sorg nur dafür, dass du wieder auf die Beine kommst, denn um unsere Angelegenheiten kümmern wir uns schon allein.«
    »Allein!«, rief er aus. »Ihr seid doch noch Kinder, ihr habt ja keine Ahnung.« Er zeigte auf mich. »Und du hast noch weniger Ahnung als deine Schwester.«
    »Okay«, erwiderte ich. »Kann sein, aber wir haben alle Zeit der Welt, um zu lernen, Chef.«
    Ich sah seine traurigen Augen.
    »Es ist schon spät«, sagte er, an die Decke starrend. »Und es ist auch noch so früh.« Sein Blick richtete sich auf mich. »Verstehst du?«
    Nicht ganz, aber ich bejahte nickend.
    Er schloss die Augen. Einen schrecklichen Augenblick lang glaubte ich, er wäre tot. Aber dann hörte und sah ich ihn atmen. Er war nur eingeschlafen.
    »Ich gehe«, flüsterte ich der Krankenschwester zu, die direkt vor der Tür an einem Wagen voll sauberer Decken und Laken hantierte.
    Ein letzter Blick auf den Chef. Ich empfand ihn als unendlich weit entfernt.
    »Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt«, sagte ich mit lauter Stimme bei der Rückkehr in den Wartesaal. Die Robbe, Virginia und Mauro sprangen von ihren Stühlen auf. »Er hat Schmerzen, okay. Aber er ist auch einigermaßen heiter.«
    Die beiden Frauen – nein, der Chef hatte recht, genau betrachtet, war Francesca ein kleines Mädchen – forschten in meinen Zügen nach irgendeinem Riss in meiner Maske aus Optimismus, doch sie schienen keinen zu bemerken, denn nach einer Weile wurden ihre Blicke weniger ängstlich.
    »Der Mann ist zäh wie Leder«, rief ich aus. »Nicht umsonst ist er mein Vater!«
    Sie lächelten ein wenig zuversichtlicher.
    »Worüber habt ihr denn gesprochen?«, fragte Virginia.
    »Naja, Männersachen. Arbeit, Frauen, dieser ganze Kram. Aber wichtig ist, dass ich ihn ruhig und friedlich erlebt habe.«
    »Wirklich?«
    »Bitte entschuldigt mich jetzt, ich hab seit mindestens drei Stunden keine mehr geraucht.«
    Damit verließ ich sie, ging Richtung Aufzug, wandte mich nach rechts und lief die Treppe runter, ohne mich nur einmal umzudrehen.
    Den Geschmack dieser Zigarette habe ich nie mehr vergessen, auch die dunkle Ecke vor dem Eingang zum Krankenhaus nicht, in der ich sie rauchte. Ich erinnere mich an die Regentropfen, die klatschend auf die Pfützen fielen, und an die Lichter der Autoscheinwerfer, die das Dunkel der Bundesstraße ganz in der Nähe durchschnitten. Ich erinnere mich an den Geruch dort in der Ecke, vermischt mit anderen, schwächeren Gerüchen – meinem eigenen, den Gerüchen des Rauches, des Regens, dem süßen Duft des Sommers –, und ich erinnere mich an einen Haufen anderer Dinge, die von Zeit zu Zeit in mir aufsteigen wie aus einem Brunnen, Merkmale und Bruchstücke von mir und von dem, der ich damals, in dem Moment, war.
    Ich ging wieder nach oben, blieb aber nur noch kurze Zeit. Mauro musste nach Hause fahren, also fragte ich die Mädchen – inzwischen wirkten beide wie Mädchen –, was sie in dieser Nacht tun wollten. Keine wollte die andere allein lassen, dagegen konnte man schlecht protestieren: Sie leisteten sich Gesellschaft, sie machten sich gegenseitig Hoffnung.
    »Ich muss morgen früh arbeiten gehen«, sagte ich. Aber es war schon morgen früh. »Wie werdet ihr mich benachrichtigen, wenn sie ihn in den Operationssaal bringen? Was ich nicht glaube«, präzisierte ich sofort, um sie zu beruhigen.
    »Kannst du dir nicht freinehmen?«, fragte Francesca.
    Wahrscheinlich hätte es genügt, Giulio alles genau zu erklären. Er hätte sicher Verständnis gehabt und sich obendrein wie ein Arsch gefühlt, weil er mich am Morgen davor so mies behandelt hatte. Aber ich hatte keine Lust dazu. Ich wollte diese Arbeit, und ich wollte, dass der Chef gesund wurde: Bei der zweiten Sache war ich völlig machtlos, und ich glaube, ich
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