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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
Autoren: Christian Frascella
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James Bond, wenn er so tut, als höre er nicht zu, aber alles mitkriegt. Man hörte nichts. James Bond war ein Idiot. Aber er vögelte ziemlich viel. In jedem Film legte er mindestens zwei flach. Durch diesen Gedanken an Bonds Frauen begriff ich auf einmal, was los war: Mein Chef hatte eine Beziehung. Sein überdrehtes Verhalten, das ich für Mordgier gehalten hatte, zeugte in Wirklichkeit vom Wahn eines Verliebten. Der Chef hatte eine Frau. Oder er hoffte, sie zu kriegen. Jedenfalls schien er auf dem richtigen Weg zu sein. Es gab ein weibliches Wesen, das bereit war, sich von meinem Alten vögeln zu lassen. Aber was für eine Art Frau war das? Ich steckte mir eine Kippe an und schlug den Weg zur Kirche ein. Vielleicht konnte die Mönchsrobbe mich auf den neusten Stand bringen. Möglich, dass sie über alles auf dem Laufenden war und darum jetzt in der Kirche zu Gott betete, damit er den Chef bei seinen geilen Plänen unterstützte.
    Die Kirche war ein riesiger, kürzlich errichteter Bau, bestimmt der prächtigste im ganzen Ort. Bei uns gab es nicht einmal eine Bar, die diesen Namen wirklich verdiente, oder einen Treffpunkt für Jugendliche, die sich, sagen wir, miteinander zusammentun wollten. Kein Kino. Kein Theater. Gar nichts. Bloß einen kleinen Platz mit tristen Vorstadtbänken, wo meine Altersgenossen, schockiert und verwirrt von der Vorherrschaft des Vatikans und von ihren fleischlichen Gelüsten, Joints rollten und Dosenbier in sich hinein kippten. Unterwegs traf ich niemanden, den ich kannte. Ich stieg die Stufen hinauf, die zum Eingang führten, und drückte das schwere Portal auf. Das Innere war erfüllt vom leisen, gequälten Brummen eines Menschen mit Verstopfung; an den Wänden auf gigantischen, bedrohlichen Gemälden die Stationen des Kreuzwegs: Christus trägt das Kreuz; Christus am Kreuz; Christus lässt sich von Maria Magdalena die Füße waschen; Christus ist sauer auf seinen Vater, der ihn vergessen hat; Christus wird von der Lanze des schändlichen römischen Soldaten durchbohrt; der tote Christus, und vom Himmel hagelt es Pfeile auf die gottlosen Mörder; der auferstandene Christus; Christus und die Apostel, hartnäckige LSD-Konsumenten, die er mit Spott und Gleichnissen überhäuft, Ende.
    Außerdem im Mittelschiff Schemel mit optionalen Kniebänkchen, Stühle, Rosenkränze und Gebetbücher, ein pompöser Altar und hinten ein kolossales Kreuz aus glänzendem Holz, überall Weihwasserbecken, Multicolor-Fenster, die nach allen Seiten Lichtstrahlen sabberten, oscarreife Lichteffekte mit meiner knieenden Schwester in der Mitte, wie das Inbild eines festlich herausgeputzten Christentums, das doch in Wirklichkeit ausgelaugt und heruntergekommen war.
    Ich ging zu ihr. »Was machst du?«, fragte ich.
    Sie sah mich an, wie man einen Scheißhaufen auf dem Fensterbrett ansieht und sich wundert, wie er dorthin gekommen ist.
    »Nun?«, fragte ich.
    »Sprich leise«, ermahnte sie mich.
    »Hier drin ist doch kein Schwein.«
    Sie zeigte auf Christus am Kreuz. »Etwas Respekt bitte.«
    Ich betrachtete ihn. Er hatte nicht die geringste Wirkung auf mich. »Ich muss mit dir reden«, sagte ich.
    »Was willst du hier?«
    »Bist du taub? Ich habe gesagt, ich muss mir dir reden.«
    Sie war durcheinander. Wie sie dort kniete, mit ihren wirren Haaren, tat sie mir leid. »Worüber?«
    »Über den Chef.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich will wissen, ob der Alte eine Zunge gefunden hat, die er ablutschen kann.«
    »Ich verstehe dich nicht. Hau ab!«
    Allmählich reichte es mir. »Weißt du, ob der Chef eine Frau hat?«
    Ihr leichenblasses Gesicht wurde noch bleicher.
    Sie bekreuzigte sich und stand auf. »Wer hat dir das gesagt?«
    Volltreffer! »Ich war schon durch die Tür, da winselte er noch am Telefon. Eigentlich hat er mich rausgeschmissen, damit er am Telefon winseln kann. Warum?«
    »Lass uns rausgehen«, sagte sie.
    Sie kniete nieder und bekreuzigte sich wieder. An der Tür tat sie es noch einmal.
    »Wenn du so weitermachst, kriegst du noch blaue Flecken an der Stirn«, warnte ich sie.
    Wir gingen hinaus. Die Luft wurde entschieden angenehmer. Weihrauch benebelt, wie Sex. Auf den Stufen stand ein farbloser Typ, tadellos gekleidet. »Ciao«, sagte er zur Robbe.
    Ihre Leichenblässe schlug um in ein Tomatenrot. »Ciao«, hauchte sie und rannte, so schnell sie konnte, die Stufen hinunter.
    Ich blieb einen Augenblick stehen, um ihn mir anzusehen. Er hatte eine Adlernase und große grüne Augen hinter den dicken
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