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Kunstblut (German Edition)

Kunstblut (German Edition)

Titel: Kunstblut (German Edition)
Autoren: Martin Schüller
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EINS
    Es war sechzehn Uhr sieben an einem sonnigen Februarmontag. Ich parkte vor einem Büroblock an der Moskauer Straße, und die Scheibe der Eingangstür wurde plötzlich undurchsichtig.
    Mir blieb nur eine halbe Sekunde, um meine Waffe zu ziehen, bevor sich die graue Glasfläche in Myriaden einzelner Teilchen auflöste und in einen Hagel aus Glas verwandelte.
    Die Splitter prasselten die breite Treppe herab und funkelten in der Sonne, als ein Mann in einem schwarzen Anzug durch die Tür geflogen oder gesprungen kam. Er rollte einigermaßen elegant ab und kam schnell wieder auf die Füße. Nach einem kurzen Blick über die Schulter sprintete er auf meinen Wagen zu, riss die Beifahrertür auf und glitt auf den Sitz neben mich.
    »Los«, sagte er. Seine Halbautomatik zielte direkt zwischen meine Augen; der Ausdruck in seinem Gesicht sollte als Grinsen gemeint sein.
    Die Kimber 1911 in der Rechten, glotzte ich zurück. Abzudrücken schien nicht wirklich ratsam.
    »Gib die mal mir, bevor sich jemand wehtut.« Er entwand mir die Pistole, ohne dass seine Miene sich einen Deut verändert hätte. »Und jetzt gib verdammt noch mal Gas, Schwachkopf!«
    Ich drehte den Zündschlüssel und begann, den Quattroporte aus der Parklücke zu manövrieren. Der Mann drehte sich zu dem zerfallenen Glasportal um.
    Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Drei kurzhaarige Gorillas in dunkelblauen Anzügen und mit länglichen, schwarzen Gegenständen in den Fäusten kamen aus dem Gebäude gestürmt. Ich gab Gas und rammte mir den Weg frei, indem ich einem französischen Kleinwagen den in Wagenfarbe lackierten Stoßfänger abriss.
    »Na also«, sagte der Mann, während er den Scheibenheber betätigte, um dann ein paar mäßig gezielte Schüsse in Richtung seiner Verfolger abzugeben.
    »Ich habe keine Ahnung, wer dich bezahlt, Schwachkopf«, sagte er, nachdem er die Scheibe wieder hochgefahren hatte, »aber du bist verdammt noch mal zu langsam.«
    Ohne mich anzusehen steckte er meine 1911er in die Tasche. Der Quattroporte rollte leise über die Moskauer Straße. Als wir den kurzen Rückstau an der Kreuzung erreichten, griff er mir lässig ins Lenkrad und zwang den Wagen auf die Gegenfahrbahn.
    »Linksrum«, kommandierte er und überließ es mir, irgendwie die Werdener Straße zu überqueren. Wildes Hupen umgab uns.
    »Rechts in die Erkrather«, sagte er. »Und vergiss die Ampeln.«
    Ich tat, wie mir geheißen, ohne übermäßigen Ehrgeiz zu entwickeln.
    »He, Schwachkopf! Kannst du auch sprechen?«, fragte er, ohne mich eines Blickes zu würdigen. »Wer bezahlt dich, hm?«
    »Ich rede nicht mit bewaffneten Leuten, solange ich fahre«, sagte ich, während ich bei Rot die Ronsdorfer querte.
    »Du solltest dir deine Wumme aber auch nicht so einfach abnehmen lassen, Schwachkopf.«
    Ich fuhr weiter, ohne zu antworten.
    »Wer bezahlt dich, Schwachkopf?«
    »Ich glaube, Sie brauchen ein Synonym-Lexikon«, sagte ich.
    »Aha, ein Schlauberger!« Immer noch grinste er die Frontscheibe an. »Du hast doch nicht zufällig da auf mich gewartet.«
    Ich antwortete nicht.
    »Meine Alte, stimmt’s?«, fragte er. »Du sollst auf mich aufpassen.«
    »Ich hatte dort zu tun. Tatsächlich zufällig.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht.«
    Ich an seiner Stelle hätte es auch nicht geglaubt. Für ein paar entspannende Minuten sagte er nichts. Ich fuhr weiter geradeaus. Die ersten Worte, die er wieder von sich gab, waren: »Da links Richtung Köln.«
    Als ich uns auf die 59 eingefädelt hatte, fragte er wieder: »Meine Alte, stimmt’s?«
    Immer noch gab ich keine Antwort. Ich spürte, wie er neben mir ungehalten wurde.
    »Ich kann dich auch abknallen«, sagte er.
    »Klar«, sagte ich.
    »Jetzt spiel mal nicht den Coolen, Schwachkopf.«
    »Wir fahren hundertvierzig, und Sie sind nicht angeschnallt. Schießen Sie nur, Herr Schlau.«
    Er brummte anerkennend. »Spätestens, wenn der Tank leer ist, reden wir weiter.« Er sah sich im Wagen um. »Was ist das eigentlich für’n Schlitten?«
    »Maserati.«
    »Ist ja richtig schick.«
    »Ja. Hoffentlich bleibt’s so.«
    »Dann fahr mal schön vorsichtig.« Er zündete sich eine Zigarette an.
    »Wie wär’s mit ein paar Informationen für mich?«, fragte ich.
    »Zuerst bist du dran. Wer bezahlt dich?«
    »Niemand, den Sie kennen.«
    »Woher willst du das wissen, Schwachkopf? Kennst du denn mich ?«
    »Kennen wäre zu viel gesagt. Ich weiß, wer Sie sind.«
    »So? Wer bin ich denn?«
    »Egon Wolter«, antwortete ich.
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