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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
Autoren: Christian Frascella
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deprimierende Musik von Radio Italia – »nur italienische Musiiiik!« – in die schon vom hektischen Tippen der Kassiererin, dem Piepen der Barcodes und dem Klingeln der Kassen leidgeprüften Ohren.
    Als ich dann mit meinem Einkaufswagen um Schachteln und Menschen herumdribbelte und mich zur Wursttheke begab, um dort eine Nummer zu ziehen, die mich ganz sicher zu einer endlosen Wartezeit zwingen würde, stieß ich gegen den Wagen eines Gruft-Opis, der aber nichts sagte und wegging, ohne auf mich zu achten. Ich tat dasselbe, aber da holte mich eine weibliche Stimme ein, die aus dem Feinkostbereich kam.
    »He!«, kreischte die Stimme. Ich drehte mich um, um zu sehen, wem sie gehörte und ob sie mich meinte.
    »He!«, wiederholte das Mädchen.
    Sie hatte einen olivfarbenen Teint, eine Himmelfahrtsnase und große, grüne Augen. Sie trug ein Häubchen, einen Arbeitskittel und Plastikhandschuhe und bediente hinter der Feinkosttheke gerade eine wasserstoffblonde Frau. Ein widerspenstiges Büschel schwarzer Haare malte ihr ein langes, seidiges Komma auf die Wange. Sie mochte ungefähr so alt sein wie ich, und ich hatte sie noch nie gesehen, hier drin nicht und woanders auch nicht.
    Wir blickten uns an. »Redest du mit mir?«, fragte ich.
    »Was glaubst du, wo du hier bist?« Sie hatte die leicht kratzige Stimme einer Raucherin. Auch die Wasserstoffblondine drehte sich zu mir um.
    »Warum?«, fragte ich das Mädchen.
    Sie zeigte auf den Alten, den ich angestoßen hatte. »Du hast ihn nicht mal um Entschuldigung gebeten.«
    »Er hat’s ja nicht mal gemerkt.«
    »Und das rechtfertigt dich?«
    Ich dachte einen Augenblick darüber nach. Dann: »Was geht dich das eigentlich an?«
    Die Wasserstoffblondine schüttelte missbilligend ihre Mähne.
    »Es geht mich was an, weil ich hier arbeite«, knurrte das Mädchen, »und ein ›Entschuldigung‹ kostet nichts.«
    »Hör mal, Feinkosterin«, sagte ich, »lass mich in Ruhe und wickel deine Ziegenmilchfrischkäse ein, statt Leuten auf die Eier zu gehen, denn heute ist wirklich nicht mein Tag.«
    »Der Ziegenmilchfrischkäse ist alle«, erwiderte sie, »Feinkosterin kannst du deine Schwester nennen, und dein Tag und deine Eier sind mir scheißegal.«
    Die Wasserstoffblonde fing an zu lachen und mit ihr die anderen alten Hexen, die unterdessen näher gekommen waren, um die Diskussion zu verfolgen. Eine Diskussion, die ich nicht als Besiegter beenden durfte.
    Darum sagte ich in gelassenem, ausreichend bestimmtem Ton: »Hör mal, Mädchen, höchstwahrscheinlich sind schon zu viele Stunden vergangen, seit du mit der Arbeit angefangen hast. Vielleicht bist du müde. Vielleicht hast du deine Tage. Vielleicht bist du gestern Abend mit einem ausgegangen, der an Ejaculatio praecox leidet. Es ist dein mieses Leben, ich kann nichts daran ändern, okay? Such nicht nach Sündenböcken für deine Niederlagen.«
    »Oooh!«, riefen die Hexen im Chor.
    Ich grinste wie Harrison Ford in Die Waffen der Frauen.
    Das Mädchen musterte mich ein paar Sekunden. Gleich würde sie in Tränen ausbrechen. Fast hatte ich Mitleid mit ihr, wie mit allen Menschen, die es wagten, sich gegen mich zu stellen, und damit nicht mehr erreichten, als sich gründlich zu blamieren. Dann zog sie sich die Plastikhandschuhe aus. Sie blickte die Hexen an. Kam langsam hinter der Theke hervor und stellte sich vor mich hin. Sie hatte nicht den geringsten Ausdruck im Gesicht.
    Es war ein Blitz: Sie holte zu einem Schlag mit dem Handrücken aus, der mich völlig unvorbereitet traf, erst spürte ich ihre Fingerknöchel in meinem Gesicht, dann folgte der Schmerz und mit dem Schmerz eine Art Angriff der Gravitationskräfte – ich spürte, wie mein Körper sich schlaff um eine Mitte drehte, einmal ganz herum, und genau in dem Moment, als die Drehung beendet war und ich wieder in ihre teuflischen grünen Augen blickte, gaben meine Beine nach.
    Dann stürzte ich der Länge nach auf einen Stoß Toastbrotbeutel.
    Ein paar Minuten lang war ich ohnmächtig. Als ich die Augen aufschlug, lag ich auf dem Rücken und starrte an eine gräuliche Decke aus Rigips. Man hatte mich in einem aseptischen Büro auf Kartons gebettet. Ich sah mich um.
    Ein beschlipster Mann ohne Jackett saß auf einem Sessel, und neben ihm stand dieses bösartige Wesen, die Feinkosterin.
    Der beschlipste Mann sagte in strengem Ton: »Wie konntest du nur, Chiara? Einen Kunden ohrfeigen … Himmelherrgott, ist dir klar, was du angerichtet hast? Vor der ganzen Kundschaft!
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