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Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Titel: Meine Philosophie lebendiger Gaerten
Autoren: Gabriella Pape
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unendlich beeindruckend, diese erste und letzte, diese prägende Über-den-Zaun-Beziehung.
    Spannend und aufregend sind diese Stunden und Tage, lehrreich und voller Faszination. Wenn in der Folge die volle Konzentration der kleinen Gärtnerin dem ausdauernden Sieben des Komposts gilt, schütteln die Eltern staunend und anerkennend den Kopf über sie, die hier ihr eigenes Revier abgesteckt hat und sich am Zaun mit dem Greis mehr austauscht als mit der eigenen Familie. Bald werden auch Pflänzchen über den Zaun gereicht, von drüben nach hüben, erste Anregungen aus einer anderen Welt. Der Alte zeigt, wie man Rosen schneidet, auch wenn es nicht unbedingt dem Standard entspricht - dies zu erkennen, wird allerdings noch ein paar Jahre dauern. Es ist ein Anfang. Die Neugier für den Garten, die Pflanzen, das Wachsen ist entfacht und lässt sich nicht stillen. Bohnen reicht er rüber für das Beet, alles kommt in den Boden, auch wenn es Gemüse ist, alles wird gehegt und gepflegt, alles lebt, alles gedeiht. Auch wie man Pflanzen stäbt, also stützt, wenn sie es nötig haben, lernt sie ganz beiläufig. Wächst etwas nicht an, kümmert eine Pflanze vor sich hin, funktioniert etwas nicht, um das sie sich bemüht hat - es ärgert sie nicht. Sie wundert sich über die Erwachsenen, die darum so viel Aufhebens machen. Alles ist von großer Geschäftigkeit geprägt, immer muss etwas getan werden, mit den Händen in der Erde. Stellt man ihr dreißig Pflanzen hin, die in den Boden sollen, dann wird das sofort erledigt, weil es
Spaß macht. Jede Pflanze bekommt noch den Wunsch mit in die Erde, dass sie anwachsen möge und dass sie Freude bringe. Und die Pflanzen halten sich daran. Es ist eine kindliche Beschäftigung voller Naivität und größtem Ernst, ein Tun, ein Leben, ein Spiel - alles zugleich. Auch das Legen von Ziegelsteinen gehört dazu, die über Wochen, einmal die ganzen Sommerferien über von einem Ort zum anderen transportiert werden müssen. Mit Akribie und Ausdauer bleibt sie dran, lässt sich nicht ablenken - vielleicht auch etwas spezifisch Weibliches in dieser frühen Kindheit? Die Brüder machen es jedenfalls anders.
    Bald führt sie ihre eigenen Experimente durch, der Garten ein einziges großes Versuchsfeld. Sie probiert die Natur aus. Was kann man essen, was riecht wie und vor allem, wenn es gerieben oder zerstoßen wird? Schließlich, da ist sie schon etwas größer, versucht sie auch zu »rauchen«, zumindest nennt sie es selbst so, und zwar alles, was dafür geeignet erscheint - braune Buchenblätter und trockenes Gras sind nur ein Anfang. Sie entdeckt ein Lebensprinzip: sich immerzu fragen und zugleich wundern, sich an den Vorgaben der Natur erfreuen und diese weitererkunden. Wie sind die Menschen darauf gekommen, dass man Kaffee trinken kann, was ist da passiert? Die Bohne, eigentlich grässlich, grün, hängt am Strauch, muss erst einmal geröstet, dann geraspelt, zerstoßen werden, heißes Wasser darüber - da muss erst mal einer drauf kommen! Wer war das und wann und wo? Selbstversuche in ähnliche Richtungen gehören bald zum Garten der Kindheit.

    Seit sie denken kann, ist hier ihr Reich, ihre Villa Kunterbunt. »Auf Püppi ist Verlass«, sagt der Großvater, und sie ähnelt inzwischen ganz der fiktiven frechen Schwedin, nicht nur wegen der Zöpfe, die sie mit riesigen weißen Schleifen trägt. Sie hilft dem Großvater beim Harken einer Wiese - und macht eigentlich die Arbeit fast allein. Sie sieht, was zu machen ist, lange bevor es die anderen sehen, wenn sie es überhaupt sehen. Und dann ist es auch schon erledigt. Auch dem Vater wird geholfen, wenn es um den Garten oder sonstige Betätigungen im Freien geht. Zünftig in der grünen Latzhose und mit einer Bierflasche im Gepäck - die Kleine wohlgemerkt. Der andere Großvater, Nichtgärtner, lockt mit Heinz-Erhardt-Gedichten auf Sonntagsspaziergänge, die sie nicht mag, weil man in dieser Zeit Besseres tun könnte, eben gärtnern. Dennoch gibt es auch ein Leben jenseits des Gartens. So sitzt sie in den Bäumen der Nachbarschaft mit Freunden, geht mit ihnen auf den Fußballplatz und hütet das Tor. Nur im Garten will sie allein sein. Die anderen wollen dort auch gar nicht mithingenommen werden, denn wer geht schon gern zu Beeten und Pflanzungen? Aber im Tor darf sie trotzdem stehen. Wenn sie lieber in den Garten gehen will als Bälle halten, dann wird das akzeptiert - bei irgendeinem Gunnar oder Kai aus der Nachbarschaft hätte man da keine
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