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Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Titel: Meine Philosophie lebendiger Gaerten
Autoren: Gabriella Pape
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verhinderte. Die Herstellerfirmen haben davon ganz gut gelebt, heute macht man das weniger.
    So waren es nicht nur meine Himbeer- und Brombeer-Abräumerfolge des ersten Tages, die den alten Chef und seinen Sohn ein Jahr später davon überzeugten, meinen geordneten Realschulabgang mit der erträumten Lehrstelle in dieser Baumschule zu krönen. Bis dahin hatte es kein einziges Mädchen gegeben, das dort je eine Ausbildung gemacht, geschweige denn angestellt gearbeitet hätte; die Arbeit sei für Mädchen zu schwer, war die Begründung. Hier arbeiteten hundertsechzig Männer und keine Frau, dazu um die fünfzehn Lehrlinge. Aber ich wollte partout dahin und fühlte mich zwischen all den Männern mit ihrer großen Klappe
unendlich wohl. Schnell war zu spüren, dass durch die Anwesenheit eines Mädchens der Umgang unter den Männern anders wurde, weniger grobe Witze, zumindest wenn die junge Frau dabei war, erst Hilfestellung für das Mädchen, wenn mal die Schubkarre im Schlamm steckenblieb, bald aber halfen sich auch die Männer gegenseitig. So war ich die erste weibliche Auszubildende in der Geschichte der berühmten Baumschule Lorenz von Ehren in Hamburg. Erst kürzlich erfuhr ich von einem damaligen Gespräch zwischen dem Lehrmeister und meinem Vater, in dem sich der Meister nur Sorgen über meinen sehr ausgeprägten Freiheitsdrang und ein bisschen zu viel Selbstbewusstsein machte. Sehr frei kleine und auch große Entschlüsse fassen, schnell entscheiden, was für mich richtig und falsch ist - das wollte und das tat ich tatsächlich.
    Die Berufsschule erlebte ich mit vielen zukünftigen Friedhofsgärtnern, denn Olsdorf, dieser größte Parkfriedhof der Welt, war ja nicht weit - mit Hunderten Auszubildenden. Eine seltsame Spezies, diese »Grufties«. Sie hatten immer die besten Witze parat. Zum Beispiel: In Olsdorf hat man schon im ersten Lehrjahr Tausende unter sich … Sie hatten keine Ahnung von Pflanzen - bis auf Heide und Chrysanthemen, dazu noch ein paar Bodendecker und Schnittgut zum Abdecken im Winter, nicht unbedingt aufregend, aber ausreichend für ihre Zunft.
    Als gelernte Baumschulerin (bitte nicht Baumschülerin!) hatte ich allerdings schon während der Lehre festgestellt, dass ich nicht mein Leben lang Bäume beschneiden oder ausgraben
wollte. Ich ging deshalb dann doch noch einmal auf die Schulbank zurück, denn nun wusste ich, wofür das Lernen gut sein kann und Sinn macht: als Voraussetzung für ein Fachstudium der Garten- und Landschaftsarchitektur. Lernenwollen war durch Lernenkönnen belohnt worden: Plötzlich waren alle Fächer topp, das Fachabitur entsprechend brillant.
    Fern der norddeutschen Heimat wurden tief im Süden gerade per Anzeige »Führungs«-Kräfte für die IGA, die Internationale Gartenausstellung 1983 in München gesucht. Ein grüner Trupp sollte sich von der Stadt aus um alles kümmern, was die anderen beim Aufbau vergessen hatten, oder als Feuerwehr schnell bewerkstelligen, worüber zuvor nicht oder längst zu spät nachgedacht wurde - also Panikarbeit. Die Idee gefiel mir, obwohl oder gerade weil ich mit neunzehneinhalb die Allerjüngste war, die sich um diesen Job bewarb. Ich sprach vor und erklärte: Ja, so einen Trupp zu führen traue ich mir auf jeden Fall zu. Nach Erfahrung gefragt, antwortete ich, dass ich keine habe, diese aber gewiss schnell hätte, wenn man mich nur machen ließe. Man staunte und wollte es ausprobieren, auch weil bereits große Verzweiflung herrschte und Zeitnot und Arbeitspensum zum Handeln zwangen. Der große Spaß bestand für mich vor allem in der Konfrontation mit einer übergroßen Fülle an Pflanzen, aber auch mitarbeitenden Menschen, später den Tausenden Besuchern, die täglich zur Ausstellung kamen, schauten und Fragen stellten - die häufigste allerdings war die nach den Toiletten. Es ist, so weiß ich heute, die meistgestellte Frage in Gärten, vielleicht noch nach der nach dem Ausgang - selbst im größten botanischen
Garten der Welt. Man darf nicht glauben, dass die Leute immer nur intelligente Fachfragen stellen.
    Bei dieser Ausstellung habe ich viel gesehen, internationale Gärten, Rosengärten, einen wunderbaren Staudengarten, der bis heute Bestand hat. Ein erstes Schlüsselerlebnis, was die Vielseitigkeit betrifft, die im Garten möglich ist. Dann folgte ein Jahr Gärtnerarbeit bei einer Gartenbaufirma in München, was ein bisschen zu hart war, denn am Ende stand ich da mit einem kaputten Rücken und dauernd kalten
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