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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich
Autoren: William Sutcliffe
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Stunden in England begannen bereits sämtliche unangenehmen Einzelheiten meiner Reise aus meinem Gedächtnis zu verschwinden. Rein vom Verstand her konnte ich die Dinge noch gegeneinander abwägen und mich daran erinnern, daß ich mich die meiste Zeit über ziemlich elend gefühlt hatte. Aber ich war so froh, daß ich's gemacht hatte, und überlebt hatte, daß meine positiven Gefühle bereits alle anderen Empfindungen zu überschwemmen begannen. Vor meinem geistigen Auge verwandelte sich die Reise in eine gesichtslose gute Sache. Ich war allmählich nicht mehr in der Lage, das gute Gefühl, es getan zu haben, mit dem elenden, es zu tun, in Einklang zu bringen. Und das Gefühl der Freude war so unmittelbar und so stark, daß es alle anderen Emotionen wegfegte. Ich konnte mich eigentlich nicht mehr richtig daran erinnern, wie sich die qualvollen Busreisen angefühlt hatten, ich konnte die Empfindung, wie mir dieser brutal harte Sitz meinen wunden Arsch versohlt und mich zu Boden geworfen hatte, nicht mehr aufrufen – aber ich konnte mich daran erinnern, was ich vom Fenster aus gesehen hatte und wie mir beim ersten Anblick der Berge das Herz im Leibe gehüpft war.
    Meine sämtlichen widersprüchlichen Gefühle passierten eine Art Filter, der alles Unangenehme oder Schmerzhafte aussonderte. Ich ahnte bereits jetzt, daß am Schluß nur noch klare, unkomplizierte und positive Erinnerungen übrigbleiben würden. Meine Reise durch Indien war bereits im Begriff, sich auf das übliche »Wahnsinnserlebnis« zu reduzieren.

Es
hilft nichts
    Ich war bereits seit ein paar Tagen zu Hause, als ich einen Anruf von James erhielt. Es gab so viel zu sagen und, vor allem, so viel zu verschweigen, daß ich unser Gespräch kurz hielt und mit ihm ausmachte, daß wir uns später im Pub treffen würden. Ich erwähnte Liz mit keiner Silbe und hoffte, daß sie nicht auch kommen würde, doch mir fiel auf, daß er das Wort »wir« gebrauchte, wo er »ich« hätte sagen sollen, was ich als ein schlechtes Zeichen ansah.
     
    Als sie am Abend gemeinsam Arm in Arm im Pub auftauchten, rutschte mir das Herz in die Hose. Ich hatte keine Ahnung, was sie ihm über unsere Reise erzählt hatte und wieviel ich würde sagen können, ohne ihr zu widersprechen.
    James war um einiges dünner, als ich ihn in Erinnerung hatte, und seine ordentliche Frisur hatte sich in widerspenstige Fransen aufgelöst, die zu beiden Seiten seines nun von Bartflaum umstandenen Gesichts in blonden Wellen herabfielen. Er trug Sandalen, Jeans und ein ausgeleiertes, unförmiges T-Shirt. Früher hatte er ausgesehen wie Richard Clayderman als Schulpräfekt, doch jetzt sah er aus wie ein verkaterter Jesus als Studivertreter.
    Liz hatte einen kurzen Rock an, dazu ein körperbetontes Oberteil, das meine Eier zum Gurgeln brachte. Der Sari und der rote Fleck waren verschwunden.
    Sowie mich James sah, schrie er meinen Namen durchs ganze Pub, sprang auf mich zu und umarmte mich. Das schüchterte mich ziemlich ein, weil es bedeutete, daß er entweder immer noch nichts wußte oder aber daß er alles wußte und den rechten Augenblick abwartete, um mir ein Messer in den Rücken zu jagen. Liz lächelte und gab mir einen flüchtigen Kuß auf die Wange. In ihrer Körpersprache war von Indien keine Spur mehr zu erkennen.
    Als James sich an der Bar anstellte, um uns was zu trinken zu holen, wurde die Luft augenblicklich dicker. Liz starrte mich ausdruckslos an und ließ sich nicht in die Karten schauen, während ich sie anstarrte und zu ergründen versuchte, was in aller Welt sie wohl denken mochte.
    »Den Sari hast du also abserviert?« fragte ich schließlich.
    »Was kümmert dich das?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Hast du's ihm gesagt?«
    »Ihm was gesagt?«
    »Das mit uns.«
    »Da gibt's nichts zu erzählen.«
    »Ach so. Ich Depp.«
    »Ich hab ihm nur erzählt, daß wir hingefahren sind, Spaß hatten und wieder zurückgekommen sind.«
    »Du hast ihm nicht mal erzählt, daß wir uns unterwegs getrennt haben?«
    »Nein.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil ich ihn nicht anlügen müssen will. Deshalb hab ich ihm von der Reise erzählt, ohne dich groß zu erwähnen.«
    »Du hast ihn angelogen, damit du ihn nicht anlügen mußt?«
    »Mein Gott, geht das wieder los! Dave und seine öden Spielchen.«
    »Fang bloß nicht damit an, Liz. Ich will bloß wissen, was ich sagen kann und was nicht.«
    »Sowenig wie möglich, wenn das dieses eine Mal drin ist.«
    »Ach, jetzt bin ich die Labertasche, oder was? Das
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