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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom
Autoren: Lone Frank
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betrachtet. Und umgekehrt.
    Wenn es etwas gibt, das diese Veränderung aus der akademischen Welt hinaustragen kann, dann ist es die individuelle Genomanalyse, einfach deshalb, weil hier das Individuum am eigenen Beispiel lernen kann. Selbst heute, da wir Gentests im Supermarkt und in der Apotheke kaufen können, lernen Zehntausende Menschen überall auf der Welt ihre genetischen Dispositionen kennen, indem sie sie nutzen. Das ist der entscheidende Punkt. Denn nur wenn man die Information selbst in die Hand bekommt, sie gewissermaßen unter die eigene Haut geht, kann man ihre Bedeutung wirklich verstehen.
    Zweifellos wird der persönliche Zugang zu genetischen Informationen etwas sein, das bleibt. Im Augenblick wird die individuelle Genomanalyse noch als Allheilmittel gegen die Plage von Krankheiten dargestellt, ein Füllhorn von Gesundheit und Prävention – und der heiligeGral ist die personalisierte Medizin, maßgeschneidert für Ihre individuellen Gene. Krankheiten sind zweifellos ein wichtiges Thema der Genetik, aber keineswegs das wichtigste.
    Tief im Innersten ist das genetische Bewusstsein die Neuerschaffung des Bewusstseins selbst. Heute können wir eine Million SNPs überprüfen, morgen unser komplettes Genom und seine epigenetischen Veränderungen, wie sie sich in den Geweben und Organen unseres Körpers ausdrücken. Letzten Endes werden wir keine Vorstellung von uns selbst mehr haben, die von diesem Wissen unabhängig ist. Es wird in unser Wissen einfließen, wer wir sind – als Spezies neben anderen Spezies und als Individuen.
    Der kanadische Philosoph Ian Hacking macht sich Sorgen, was passieren wird, wenn eine Gesellschaft als Ganzes die neue biologische Sicht der menschlichen Natur übernimmt. »Ich bin kein konservativer Reaktionär«, bekennt er in einem Essay über individuelle Genomanalyse und Identität. »Obwohl mein genetisches Erbe meine Handlungs- und Wahlmöglichkeiten einschränkt, glaube ich nicht, dass das mein Wesen ist oder meine Identität darstellt… Wie lange wird es dauern, bis diese Haltung ausstirbt? Wir wissen, dass die Genomrevolution die materiellen Bedingungen unseres Lebens für die demnächst kommenden Generationen radikal verändern wird… Wie wird die Konzeption des Selbst bei den nächsten Generationen sein?« 30
    Ich denke, er macht sich unnötige Sorgen. Soweit ich bezeugen kann, hat die Tatsache, zu suchen und zu finden, was die eigene DNA sagt, unweigerlich den wunderbaren Effekt, dass eine Menge Fragen auftauchen, persönliche und tiefschürfende. Wer sind wir? Woher kommen wir? Wo ist unser Platz auf der Welt? Wohin gehen wir? Was wollen wir? In der Vergangenheit wurden solche Fragen traditionell ins »spirituelle« Reich verwiesen, aber ich glaube, wir können sie besser beantworten, indem wir tiefer in unserer physischen Realität graben.
    Die Tatsache, dass ich mir meine eigenen Gene angeschaut habe, hat mein Selbstbild nicht simplifiziert. Im Gegenteil. Ich nehme eher mehr Facetten und Nuancen in meinem Leben wahr. Es ist sehr viel befriedigender, mich sowohl als biologisches wie als soziales Wesen begreifen zu können. Meine Gene sind kein Schicksal, sondern Karten, die mir zugeteilt wurden; manche Karten lassen mir einigen Spielraum, wie ich das Spiel des Lebens spielen will. Oder, um es anders zu formulieren, mein Genom ist keine Zwangsjacke, sondern ein weicher Pullover, den ich ausfüllen und formen kann, in den ich mich hineinkuscheln und in dem ich mich räkeln kann. Es ist eine Information, mit der und von der ausgehend ich arbeiten kann, eine Information, die mir mehr Freiheit schenkt, mein Leben und mein Wesen zu gestalten. Auf ihre Weise kann mir diese Information auch die Last des Lebens erleichtern. Sie sagt mir, dass ich nicht vollkommen frei bin und auch nicht vollkommen verantwortlich dafür, wer ich bin und wie ich letztlich geworden bin.
    Und wer bin ich nun also?
    Ich bin, was ich mit dieser wunderbaren Information tue, die über Jahrmillionen durch Milliarden von Organismen geflossen ist und schließlich mir anvertraut wurde.

Danksagung
    Mein wundervolles Genom war lange nur eine Idee, und ohne die großzügige Unterstützung wäre nie ein Buch daraus geworden. Deshalb möchte ich dem dänischen Kunstrat, der Oticon-Stiftung und der Carlsberg-Stiftung aufrichtig danken.
    Mein Dank geht auch an viele Einzelpersonen, die mir wertvolle Zeit geschenkt und die Chance gegeben haben, die Revolution der individuellen Genomanalyse zu erforschen:
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