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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom
Autoren: Lone Frank
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und der Ökonom Lanny Ebenstein von der University of California in Santa Barbara sagen, wir müssten uns auf diese biologische Zukunft vorbereiten. Es könne gut sein, schreiben die beiden in Nature, dass die Forschung Unterschiede zutage fördere, die uns nicht gefielen, zum Beispiel einen biologischen Unterschied, der politisch anstößig sei. Lahn und Ebenstein zufolge brauchen wir »eine tragfähige moralische Antwort auf diese Frage, unabhängig davon, was die Forschung im Hinblick auf menschliche Verschiedenheit herausfindet«. 25
    Das ist mutig. Sie wenden sich nicht nur gegen die historische Rassenideologie und all den damit verbundenen Blödsinn, sondern auch gegen aktuellere Diskussionen, in welchem Umfang und warum es zwischen verschiedenen Gruppen Unterschiede bei der durchschnittlichen Intelligenz gibt. Zum letzten Mal geriet dieses Thema 1995 ins Scheinwerferlicht, als das Buch The Bell Curve auf eine sogenannte »Intelligenz-Lücke« hinwies – und ein Bestseller wurde. Gewappnet mit den Ergebnissen jahrelanger Messungen bei einer Reihe ethnischer Gruppen in Amerika, formulierten die Autoren Richard Herrnstein und CharlesMurray die Aussage, offensichtlich ergebe die Intelligenzverteilung in jeder Bevölkerungsgruppe die typische Form einer Glockenkurve. Sie malten die Glockenkurve für Kaukasier in die Mitte, die für Schwarze war etwas niedriger und die für Asiaten etwas höher. Kein populäres Ergebnis. An den Kurven und den erhobenen Daten war jedoch nicht viel zu kritisieren; stattdessen drehte sich der Aufschrei darum, in welchem Ausmaß solche Unterschiede genetisch bedingt oder auf die Umwelt zurückzuführen sind.
    So heiß das Buch diskutiert wurde, es hatte eine ernüchternde Wirkung. Eine Gruppe von Forschern, allen voran der britische Neurobiologe Steven Rose, nahm die Position ein, der beste Weg zu verhindern, dass die Politik sich in die Genetik einmische, sei es, Intelligenzunterschiede nicht weiter zu erforschen. Er meint, solche Forschungen hätten nur Diskriminierung zur Folge. 26
    Lahn und Ebenstein vertreten die gegensätzliche Position. Sie argumentieren, eine gründliche Erforschung genetischer Diversität könne, was immer sie auch ans Licht bringt, Diskriminierung entgegenwirken, einfach weil die Genetik deutlich mache, dass es unmöglich oder sogar lächerlich sei, Gruppen und Individuen auf einer eindimensionalen Skala einzuordnen. Die genetische Vielfalt trage über alle Bereiche hinweg – physische und mentale – zur Variation bei, und ein einzelnes messbares Merkmal wie der IQ könne nicht erschöpfend Auskunft über die mentalen Fähigkeiten eines Menschen geben. »Wir sprechen uns für die moralische Haltung aus, dass genetische Vielfalt innerhalb einer Gruppe oder zwischen Gruppen als einer der wichtigsten Vorteile der Menschheit wahrgenommen und begrüßt werden sollte«, betonen sie.
    Und wir lieben doch die Vielfalt, nicht wahr? In nahezu jeder denkbaren Situation schätzen wir Vielfalt als einen Wert. Die moderne Gesellschaft kultiviert und feiert kulturelle Vielfalt, und viele von uns reagieren auf die durch die Globalisierung drohende Vereinheitlichung, indem wir das Besondere und Einzigartige besonders hoch schätzen. Das, was wir noch nicht kennen. In der Natur ist Vielfalt sowieso Trumpf. Monokulturen sind die größte Sünde des industrialisierten Landbaus,und Umweltaktivisten führen einen zähen Kampf für Biodiversität, um die Rettung seltsamer Kröten, ungewöhnlicher Korallen, seltener Vögel, unentdeckter Käfer und anderer Lebewesen zu bewirken, denen die Ausrottung droht. Tatsächlich ist Biodiversität auf dem besten Weg, das nächste große Thema der Umweltbewegung zu werden. Warum also sollten wir nicht unsere eigene biologische Vielfalt kultivieren und schützen?
    Das Bewusstsein, dass wir eine Spezies mit charakteristischen genetischen Unterschieden und physischer Verschiedenheit sind, könnte schließlich der Punkt sein, der uns für das Schicksal bedrohter Völker sensibilisiert: Bevölkerungsgruppen, deren Lebensweise, kulturelle Eigenheiten und Sprache vom Aussterben bedroht sind – gemeinsam mit ihrer einzigartigen genetischen Ausstattung. Es ist das Schicksal der San-Buschmänner in der Kalahari, der letzten Udegen in der russischen Taiga oder der Akuntsu im Amazonasgebiet mit nur noch sechs lebenden Vertretern – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
    Unsere Faszination durch genetische Vielfalt könnte auch ein Weg zum besseren
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