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Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe
Autoren: Susan Sloan
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der Schwefelsäure,
    stellte die Schale in das heiße Öl und wartete, bis sich die Kristalle aufgelöst hatten. Dann nahm er die Schale heraus und gab Natriumnitrat hinzu,
    wobei er sorgfältig darauf achtete, dass nichts
    überschäumte.
    Die Prozedur konnte üble Folgen haben, wenn
    man Fehler machte, doch im Prinzip war sie äu-
    ßerst simpel. Er musste sich lediglich an das Re-
    zept halten, das sich jeder besorgen konnte, der
    einen Internet-Zugang hatte. Es war zwar ge-
    spickt mit Verweisen darauf, dass es streng ver-
    boten sei, es anzuwenden, doch die musste man
    eben übersehen. Schließlich heiligte der Zweck
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    die Mittel.
    Nachdem die Substanz etwas abgekühlt war,
    stellte er sie in ein Gemisch aus Wasser und zer-
    stoßenem Eis und sah zu, wie sich leuchtend gel-
    be Kristalle formten. Er bearbeitete die Kristalle wie vorgeschrieben und zerrieb sie dann, bis sie
    so fein waren wie Gesichtspuder. Zuletzt ver-
    mischte er den Puder mit der angegebenen Men-
    ge Wachs und Vaseline und gab die plastikartige
    Masse in einen Glasbehälter. Er warf einen Blick
    auf seine Uhr. Die ganze Prozedur hatte etwa drei Stunden gedauert, wie jedes Mal, wenn er einen
    dieser Behälter füllte, die nun alle in einem ver-schlossenen Schrank ganz hinten in der Garage
    verstaut waren. Er steckte die Bratpfanne, die
    Glasschale, das Becherglas, den Rührbesen und
    die restlichen Chemikalien in einen Müllsack, den er im Puget Sound versenken wollte. Danach
    säuberte er die Garage so gründlich, als sei sie
    ein Operationssaal.
    Dieser Teil seiner Arbeit war beendet. Nun ging
    es darum, die Masse aus den Glasbehältern zu
    holen, sie in die Matchbeutel zu stecken, den
    Zünder daran zu befestigen, den er aus einer
    Glühbirne hergestellt hatte, und den Zeitzünder
    anzubringen, den er vor zwei Tagen auf dem
    Vordersitz seines Wagens gefunden hatte.
    Es gab eine unausgesprochene Regel zwischen
    ihm und den Leuten, mit denen er in Kontakt ge-
    kommen war: Niemals etwas zugeben und nie-
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    manden mit hineinziehen. Dennoch hatte man
    ihm den Zeitzünder zur Verfügung gestellt – viel-
    leicht, um ihm zu zeigen, dass man mit seiner
    Arbeit zufrieden war.
    Schließlich verstaute er das Produkt seiner Arbeit in seinem Fahrzeug, legte eine Decke darüber,
    ging ins Haus und setzte sich in seinen Sessel vor dem Fernseher, als habe er sich dort schon den
    ganzen Abend aufgehalten. Wie immer, wenn er
    am nächsten Tag arbeitete, sah er sich die Nach-
    richten an und ging dann zu Bett.
    Doch er schlief nicht. Er wartete, bis die Atemzü-
    ge neben ihm ruhig und regelmäßig geworden
    waren. Kurz vor Mitternacht stand er auf, zog
    sich lautlos an und ging aus dem Haus.
    Es war kalt und feucht draußen, wie häufig im
    Februar. Er stieg in sein Auto, schaltete in den
    Leerlauf und ließ den Wagen von der Auffahrt auf
    die Straße rollen. Erst dann startete er den Mo-
    tor. In den letzten Wochen hatte er mehrere Pro-
    befahrten gemacht. Er hatte unterschiedliche
    Routen zu seinem Ziel ausprobiert, die Zeit ge-
    nommen und den Verkehr beobachtet, bis er zu
    einer Einschätzung gelangt war. Nun schlug er
    den Weg ein, für den er sich entschieden hatte,
    um den Queen Anne Hill herum zum Denny Way,
    dann rechts ab auf die Boren Avenue und den
    First Hill hinauf. Auf der Spring Street kürzte er ab, indem er die Minor überquerte, dann bog er
    auf die Madison ein und parkte dort. Um diese
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    Zeit waren die Läden und Restaurants geschlos-
    sen, und niemand war in dieser Gegend unter-
    wegs. Sie trug seit einigen Jahren durchaus be-
    rechtigt den Spitznamen »Pillenberg«, da sich
    hier die großen Kliniken von Seattle niedergelas-
    sen hatten. Vor einer Stunde hatte die Spät-
    schicht begonnen; diesen Zeitpunkt hatte er na-
    türlich mit Bedacht gewählt.
    An der Madison Street, Ecke Boren Avenue, be-
    fand sich eine prachtvolle Villa aus der viktorianischen Zeit, umgeben von gepflegten Rasenflä-
    chen. Erleichtert stellte er fest, dass sich nichts rührte in dem Gebäude und nirgendwo ein Fenster erleuchtet war. Das Wachpersonal, das sich
    während der Öffnungszeiten auf dem Grundstück
    aufhielt, war nach Hause gegangen. Keine
    Nachtaufsicht hatte sich eingefunden, es gab also keine unvorhergesehenen Ereignisse, die seinen
    Plan hätten vereiteln können.
    Beide Flügel des Tores in dem hohen schmiedeei-
    sernen Zaun wurden leichtfertigerweise nachts
    nicht abgeschlossen, was er bereits erkundet hat-
    te. Doch auch ein
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