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Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Titel: Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
Autoren: Lira Bajramaj
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großen Garten und einen Stall. Es existierte sogar ein kleiner Laden, der allerdings gut einen Kilometer von unserem Haus entfernt lag. Dort
kaufte meine Familie Lebensmittel ein. Ich durfte regelmäßig gemeinsam mit meinem Papa dorthin mitkommen und mir einen Kaugummi oder andere Süßigkeiten aussuchen. Ganz in der Nähe des kleinen Geschäftes stand auch die Schule des Ortes. Die »Straße«, die zu unserem kleinen Hof führte, verdiente den Namen gar nicht. Das war ein unebener Feldweg mit äußerst vielen Schlaglöchern. Mit dem Auto musste man extrem langsam fahren, um da heil durchzukommen. Ich erinnere mich noch genau an das große Tor am Eingang zu unserem Hof. Jedes der Grundstücke in der Nachbarschaft besaß so ein Einfahrtstor.

    Hier sind wir noch im Kosovo – ich bin der Dreikäsehoch links neben meinen Brüdern
    Wir lebten als Großfamilie in einem recht geräumigen Haus. Ich habe mit meinen Eltern, meinem Bruder Fatos und später
dann Flakron zusammen im Erdgeschoss gewohnt. Ein eigenes Zimmer aber war für mich nicht drin, ich schlief meist im Raum meiner Eltern. Oma und Opa bezogen die Etage über uns. Auch ein jüngerer Bruder meines Vaters, Izet, wohnte mit seiner Frau Atifet und Tochter Ardijana im Haus. Für uns vier Kinder gab es ein gemeinsames Zimmer zum Spielen. Opa arbeitete vor allem als Lkw-Fahrer in Deutschland und verhalf uns mit seinem Lohn zu einem bescheidenen Wohlstand: Immerhin gehörte uns das Haus, in dem wir lebten. Er schickte regelmäßig Geld und Süßigkeiten in den Kosovo und kam auch immer mal wieder heim. Papa musste durch das ständige Unterwegssein seines Vaters früh Verantwortung übernehmen und bereits als junger Mann auf die Familie aufpassen.
    Hinter unserem Haus schlängelte sich ein kleiner Bach durch den Garten. Das Ufer säumten mehrere Obstbäume. Mein älterer Bruder Fatos und ich liebten es, dort zu spielen. Ich erinnere mich noch an die Wettrennen mit ihm. Es ging darum, auf den großen Apfelbaum zu klettern. Wer den ersten Apfel pflückte, hatte gewonnen. Um uns herum lebten ja die vielen Verwandten und damit auch viele Kinder, mit denen wir gemeinsam rumtoben konnten. Ich weiß noch gut, wie ich mit meinem großen Bruder Fatos immer im Kuhstall gespielt habe. Einmal stritten wir uns heftig. Den Grund weiß ich heute nicht mehr, ich war damals ziemlich klein. Aber ich war sauer! Ich haute dann einfach ab und verriegelte die Tür von außen. Fatos wurde im Stall von einer Kuh angegriffen. Und tatsächlich hat sie ihn erwischt, umgeschubst und verletzt. Es blieb ihm eine Narbe auf der Brust. Fatos und meine Eltern waren damals böse auf mich, die Kuh hätte meinem Bruder ernsthaft gefährlich werden können. Heute können wir aber alle über diesen Schabernack lachen.
    Im Kosovo besaßen wir kaum Spielzeug. Opa brachte nur ab und zu mal etwas aus Deutschland mit. Doch Fatos und ich vermissten nichts, denn wir hatten auch so Spaß, heckten immer etwas Tolles aus. Wir waren richtig kreativ. So bastelten wir uns eine Schaukel, indem wir ein dickes Seil an zwei starken
Baumästen befestigten. Damit uns der Po beim Schaukeln nicht wehtat, organisierten wir uns ein Kissen. Unsere Eigenkonstruktion erfreute sich bei den anderen Kindern großer B eliebtheit: Die Schaukel war ständig in Betrieb.
    Wenn meine Lieblingscousine Mimi und ihr zwei Jahre älterer Bruder Mentor zu Besuch kamen, spielten wir immer Fangen. Wenn die zwei im Anmarsch waren, lag Chaos in der Luft. Man musste sich vor den beiden immer in Acht nehmen. Heute ist das zum Glück anders, Mimi zähle ich zu meinen besten Freundinnen – und sie ist ganz brav. Damals war Verstecken angesagt. Mimi und ich sind auf einen Hügel geklettert und mein Bruder Fatos stand unten mit unserem Cousin Mentor. Mimi schmiss einmal einfach einen Stein nach unten und traf Fatos. Mir ist dabei fast das Herz stehen geblieben. Ich fand es, ehrlich gesagt, nicht lustig, meinen Bruder bluten zu sehen. Zum Glück passierte nichts Schlimmeres. Dennoch kassierte Fatos nach dem Kuh-Angriff bereits die zweite Narbe innerhalb kürzester Zeit. Armer Kerl!
    So sorgenlos wir Kind sein durften und uns ganz in unsere wilden Spiele vertiefen konnten, so war das Erwachsenenleben umso stärker strukturiert. Die Rollenverteilung in meiner alten Heimat war damals klar vorgegeben: Kochen, Waschen, Putzen und sonstige Hausarbeiten mussten die Frauen erledigen, die Männer waren fürs Geldverdienen zuständig. So ein bisschen hat sich das
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