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Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Titel: Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
Autoren: Lira Bajramaj
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Horror, besonders die letzte Etappe. Ich träume noch heute vom Gebell der Wachhunde, die mitten in einer unheimlichen Nacht im Grenzgebiet zu Deutschland hinter uns her waren. Heute sind die Grenzen offen, aber damals patrouillierte hier noch der Grenzschutz mit Hundestaffeln.
    In unserer Akte in Deutschland stand später das Wort »Flüchtling«. Das ist nicht wirklich der Begriff, mit dem man hausieren gehen will.
    Ich fühlte mich damals gefangen zwischen zwei Welten. Ich war fremd in einer neuen Heimat. Sich in Deutschland zu integrieren, ist nicht einfach. Dennoch haben wir es mit bescheidenen Mitteln geschafft.
    Ich lebte als Muslima jahrelang mitten in Nordrhein-Westfalen, derzeit wohne ich in Potsdam im Osten von Deutschland – und ich fühle mich wohl. Ich bin ein gläubiger Mensch, und das kann ich dankenswerterweise hier in Deutschland mit kleinen Einschränkungen ausleben.

    Wir sind als Familie in Deutschland heute richtig angekommen und integriert. Aber das war ein langer, steiniger Weg. Ich habe den Kosovo aber nicht vergessen: Die Ereignisse in meinem Geburtsland beschäftigen mich und meine Familie noch heute. Wir haben hier in Deutschland, in der Ferne geweint, als der Kosovo im Februar 2008 unabhängig wurde. Ich und wir alle fühlen uns den Menschen dort weiterhin sehr verbunden.
    Ein anderer schwieriger, wenn auch deutlich ungefährlicherer Weg war es, meinen Paps davon zu überzeugen, dass Fußball genau das Richtige für die zarten Knochen seines kleinen Mädchens ist. Kein Ballettunterricht (obwohl es von der Statur her ganz gut passen würde) im rosa Gymnastikanzug und Tüllröckchen, keine Leichtathletik oder etwa Turnen. Nee, auf einem Acker im Dreck um den Ball wühlen und Zweikämpfe gewinnen – das war von Anfang an meine Welt. Papa war da zeitweise etwas verkrampft. Der Weltmeistertitel 2007 hat ihn endgültig locker gemacht …
    Das alles beantwortet endlich die Frage, weshalb ich mich für ein Buch entschieden habe: Meine schwierige Kindheit im Kosovo, meine Fluchtgeschichte, meine Integration in ein für mich bis dahin fremdes Land, aber auch mein Weg als erste Muslima in die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft – diese Erlebnisse waren stark – und sie haben mein Leben von Grund auf verändert.
    Doch das ist bereits Geschichte. Das ist meine Geschichte. Sie hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin: Ich, Lira. Die Flucht war »mein Tor ins Leben«.
    Die nächsten Seiten sollen den Menschen Mut machen, die vielleicht Ähnliches erlebt haben und mit nicht ganz so viel Glück gesegnet waren wie ich, oder die sich noch mitten im Albtraum befinden. Es gibt weltweit Millionen Flüchtlinge, fast täglich sieht man zum Beispiel Bilder von überfüllten Booten aus Afrika in den Nachrichten. Diese Menschen besitzen nichts mehr und sind so verzweifelt, dass sie sich in besseren Nussschalen übers weite Mittelmeer nach Europa aufmachen.
Ich kenne diese Verzweiflung. Ich bin mit ihr aufgewachsen. Meine Eltern hat Verzweiflung und Angst zur Flucht getrieben. Sie sind ein unheimliches Risiko eingegangen – und sie wurden belohnt. Andere haben es nicht geschafft. Auch viele von den Bootsflüchtlingen sterben heute oder werden von den Behörden wieder abgeschoben, müssen in ihren Ländern mit harten Strafen rechnen. Dort wartet die bittere Armut.
    Ich weiß auch: Nicht jeder Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland hat gleich eine Fluchtgeschichte hinter sich. Dennoch muss jeder sich an einen neuen Alltag gewöhnen, gegen Armut und Anfeindungen kämpfen. Unterschiedliche Glaubensrichtungen, andere Traditionen – das neue Umfeld ist zunächst einmal gewöhnungsbedürftig und befremdlich. Es kann lange dauern, bis Barrieren aufbrechen. Manchmal passiert es nie.
    Mich berühren solche Schicksale, weil ich genau weiß, was diese Menschen empfinden. Ich fühle mich ihnen verbunden, verstehe ihre Angst, ihre Hilflosigkeit. Ich will meine Fluchtgeschichte teilen. Nicht nur die schlimmen Dinge, sondern auch das Danach. Denn auf mich und meine Familie wartete zumindest bis jetzt eine schöne Zukunft.
    Mein Anliegen ist es, von einem ähnlichen Schicksal betroffenen Menschen zu sagen: Lasst euch nicht abbringen von eurem Weg, geht voller Selbstvertrauen weiter. Es lohnt sich! Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Ich habe es erlebt. Ich möchte mit diesem Buch meine ungewöhnlichen Erlebnisse, die Höhen und Tiefen, die ich durchgemacht habe, anderen Menschen erzählen. Sie sollen
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