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 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf
Autoren: Brigitte Schwaiger
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hat. Und er hat erzählt, daß seine Mutter in Theresienstadt vergast worden ist. Dieser Großvater besucht die Familie Leitner mehrere Male im Jahr. Er raucht und hustet viel und will sich immer ins Kaffeehaus am Hauptplatz setzen, aber er hat so eine auffallend lange Nase, und der Herr Leitner sagt, er soll zu Hause bleiben, es ist besser, wenn ihn niemand sieht, und zur Lisi ihrer Mutter sagt er, wahrscheinlich stammt sie gar nicht von ihm ab, sondern er hat vielleicht aus Mitleid mit der Lisi ihrer Mutter ihrer Mutter die Vaterschaft vor Gericht ausgesagt, damals. Deswegen hat die Frau Leitner noch einen möglichen vierten Vater oder Stiefvater, sie kennt sich schon selbst nicht mehr aus.

Emigration
     
     
    Der Grosch Sepperl ist ein Problem. Man muß ihn nur anschauen, dann sieht man schon fast alles. Glaubst du, der bindet sich eine Krawatte um, zur Hochzeit seiner Schwester? Und in die Kirche geht er. Aber nicht, wenn die Messe gelesen wird, sondern am Nachmittag, wenn höchstens ein paar alte Weiber drin sitzen. Da setzt er sich hinein. Aber glaubst du, der betet? Er sitzt nur so und schaut auf den Altar. Eine gute Stunde lang. Und bekreuzigt sich nicht. Kniet nicht nieder vor dem Altar und dem Allerheiligsten. Setzt sich einfach in eine Bank und schaut. Was in ihm vorgeht, weiß keiner. Aber das ist nicht das eigentliche Problem. Ein jeder, wie er will. Ja, und mit dem Pfarrer redet er auch nicht. Der hat ihn nämlich schon ein paarmal gefragt, was er in der Kirche sucht. Meinen Gott, hat der Sepperl geantwortet, und: Ich will nicht reden.
    Daheim redet er auch nicht. Sitzt in seinem Zimmer und malt. Immer das gleiche Bild. Bäume, dahinter die Sonne, dahinter das Meer. Oder ein großer See. Und das andere Bild, das er gemalt hat, zeigt einen Baum, und daneben eine Kapelle, und daneben ein Weg. Aber Kunst ist das nicht. Man muß sich schon sehr anstrengen, daß man erkennt, was er malt.
    Die Eltern sind verzweifelt. Jetzt ist der Bub neunzehn und hat keinen Beruf. Das wirst du schon sehen, was deine Bilder wert sind, hat ihm der Vater gesagt. Lern endlich etwas Ordentliches! Lange machen wir das nicht mehr mit! Und die Mutter, wie sie dem Sepperl zuredet. Sepperl, sagt sie, wir meinen es dir ja nur gut.
    Einmal hat er zu seiner Schwester gesagt, er malt ihr Porträt. Sepperl, du spinnst, hat sie ihm geantwortet. Aber dann hat sie nachgegeben und das schönste Kleid angezogen, und von der Großmutter ein Halsband, und sie ist eine volle Stunde gesessen, bis ihr der Rücken weh getan hat. Am nächsten Tag wieder. Und es war ja wirklich nicht schlecht, was der Sepperl fabriziert hat. Die Ähnlichkeit hat man erkennen können. Aber jeden Tag hat eine berufstätige Schwester eben nicht Zeit, und so ist das Bild liegengeblieben auf dem Dachboden, wo es der Sepperl hingelegt hat zum Trocknen. Er malt ja in Öl, und das dauert lange, bis es trocknet, und wer zahlt die Farben? Der Vater! Wie die Schwester dann wieder bereit war zum Sitzen, hat der Sepperl wörtlich gesagt: Leck mich am ...!
    Er war schon wieder bei seinen Bäumen und der Sonne und dem Meer.
    Deshalb hat sich der Onkel aus Wilhering das Bild von der Nichte geholt, weil er die Nichte immer gern gehabt hat, und der Sepperl hat es lange nicht gewußt, daß sein Bild nicht mehr da ist. Und wie er es eines Tages sucht, findet er es natürlich nicht. Und die Schwester sagt ihm klipp und klar, sie hat es dem Onkel geschenkt. Da regt er sich auf: Das Bild gehört mir! Das Bild ist nicht fertig! Und so weiter.
    Mein lieber Josef, hat der Vater gesagt, sei froh, daß der Onkel das Bild genommen hat, wenigstens hast du einem Menschen eine Freude bereitet mit deiner Kunst.
    Der Onkel soll mir zweitausend Schilling geben für das Bild, sagt der Sepperl.
    Mein lieber Josef, sagt der Vater, jetzt werde vernünftig! Der Onkel ist dein Onkel! Du wirst doch nicht von deinem Onkel verlangen, daß er dir etwas bezahlt, was du, weil du eben so bist, wie du bist, nicht einmal fertig gemacht hast. Du machst ja nie etwas fertig!
    Aber der Sepperl hat, auf Vaters Kosten, den Onkel angerufen und ihn gebeten um die zweitausend Schilling.
    Das ist aber viel, hat der Onkel gutmütig geantwortet, und der Sepperl sagt, ohne sich auch nur ein bißchen zu schämen: Dann gib mir halt einen Tausender.
    Einen Tausender für ein Bild, das nicht einmal fertig ist? fragt der Onkel, und überhaupt, sagt er, deine Schwester hat es mir ja geschenkt!
    Jetzt fällt der Sepperl über seine
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