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Mein schwules Auge

Mein schwules Auge

Titel: Mein schwules Auge
Autoren: Rinaldo Hopf u.a.
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leidenschaftlich. Sie vögeln leidenschaftlich – zum ersten Mal seit fünf Jahren.
    Am nächsten Morgen ist das Beet der Schreibers nicht mehr das schönste von allen in der Schrebergartensiedlung. Astern, Rosen, Narzissen, Margariten und Mohn liegen zerbrochen und zerwühlt in der Erde. Allein die  kleine Windmühle leuchtet noch in allen Farben des Regenbogens vor sich hin. Eigentlich sollte sich Bernhard wohl über das Chaos ärgern, aber er tut es nicht. Während er die abgeknickten Stiele und Blüten in einen Plastiksack stopft, denkt er über die vergangene Nacht nach – und über die Zeit davor. „Darf denn niemand wissen, wenn man sich küsst?“ , singt er und hat das erste Mal das Gefühl, das Lied zu verstehen.
    Da steht Frau Garms am Zaun: „Was ist denn hier passiert?“, fragt sie mit einem missbilligenden Blick auf das zerstörte Beet. „Das sieht ja aus, als hätte ein Sturm gewütet.“
    Bernhard grinst: „Na ja. Es war eine Art Sturm der Liebe.“
    In diesem Moment tritt Rolf nackt aus der Laubentür in Bernhards Rücken. Frau Garms hält sich reflexartig die Hand vor die Augen.
    „Aber Herr Rolf. Ziehen sie sich mal schnell was an. So was wollen wir hier ja nun überhaupt nicht sehen.“
    Noch gestern hätte Bernhard ihr beigepflichtet, und Rolf für seine provozierende Geste einen mahnenden Blick zugeworfen. Heute hat er auf einmal nicht mehr das Bedürfnis, sich anzupassen und der Nachbarin mehr zu gefallen, als seinem eigenen Mann. Frau Garms gerät außer sich.
    „Also, Herr Bernhard, sagen sie doch auch mal was“, ruft sie. „Da hat ihr Bruder doch glatt vergessen, sich etwas anzuziehen.“
    „Kennen sie das nicht?“, antwortet Bernhard. Dann singt er: „Wenn man einmal alles vergisst – vor Glück.“
    Frau Garms wendet sich empört ab, und murmelt im Weggehen. „Die Herren sind wohl übergeschnappt. Ich hab ja immer gewusst, dass das nicht gut gehen kann mit diesen... Mit diesen...“
    Während sie mit den Worten ringt, verliert sich ihre Stimme zwischen den Hecken. Schon wenige Stunden später wird niemand in der Gartensiedlung mehr glauben, dass die Schreibers Brüder sind. Wenn es überhaupt jemals jemand geglaubt hat. Ein Stückchen Wahrheit wird sich inmitten der Garten-Parzellen ausbreiten – und mit ihr auch ein Stückchen Unruhe. Bernhard wird sich daran nicht stören. Er hat ja lange genug seine Ruhe gehabt, und dabei geglaubt, tugendhaft zu sein. Erst jetzt merkt er, dass ihm das niemand gedankt hat. Und dass er sich dabei selbst verleugnet hat. Und dass er dabei keinen Spaß hatte.
    Er wird neue Blumen pflanzen, in der Hoffnung mal wieder mit Rolf in sie hineinzustolpern. Und Rolf wird ab jetzt früher von der Arbeit nach Hause kommen. Nicht immer. Aber oft genug, um Frau Garms noch häufig hinterm Zaun zischen zu hören, während er Bernhard einen Kuss gibt: „So was wollen wir hier überhaupt nicht sehen.“

               

Uwe Szymborski ÜBERRASCHUNG
    aus Mein Schwules Auge 5
    Ja, aber natürlich mache ich das, hab ich zum Herrn Martin gesagt, als er mich fragte. Wo er sich doch auch so nett um mich gekümmert hat, als ich dalag mit dem blöden Bein und nichts machen konnte, kein Rumlaufen und kein Putzen und Einkaufen schon gar nicht. Ob ich die zwei Wochen über den Magnus füttern kann. Das ist doch ganz selbstverständlich, dass man da hilft. Herrgott, wo doch der Herr Martin so ein angenehmer Nachbar ist, immer höflich und gut angezogen und lächelt, wenn er einen sieht, und keine laute Musik und auch bei der Hausordnung, also da kann man ja nichts Schlechtes sagen. Na, und der Magnus, wenn er den extra sollte ins Tierheim geben, wegen dass er mal in Urlaub kann, das wäre doch auch nichts Schönes für so ein kleines Viech, da käme er doch um vor Sehnsucht. Und dann die ungewohnte Umgebung und Gemaunze und Gebell den ganzen Tag um ihn rum, der würde sich doch nur quälen. Hannes, wenn der den noch kennen gelernt hätte, den Herrn Martin, meine ich, der hätte bestimmt auch gesagt: Traudel, wenn wir einen Jungen hätten, das müsste so einer sein, wie der Herr Martin. Das hätte er gesagt, ich kenn doch meinen seligen Hannes.
    Ich dachte ja erst, wo beim Herrn doch seit die paar Wochen der junge Mann mit wohnt, dass der sich vielleicht könnte um den Magnus kümmern. Aber nein, die beiden fahren zusammen weg, hat der Herr Martin er und der junge Mann, Fabian. Das scheint ja auch ein ganz Patenter zu sein, aber so oft hab ich den noch gar
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