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Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Titel: Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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wenn’s echt schwerfällt. Ich versuche unauffällig wieder zu atmen.
    Phillip zieht ein winziges lilafarbenes Papiertütchen aus seiner Jackentasche und reicht es mir. Das Tütchen ist federleicht und fühlt sich an, als wäre nichts darin außer Luft.
    Ob er mir einen Kuss schenkt? Noch einen, so wie eben? Ich muss lächeln.
    „Willst du’s nicht aufmachen?“ Phillip macht ein erwartungsvolles Gesicht. Die goldenen Sprenkel in seinen Augen funkeln.
    „Doch. Klar.“
    Plötzlich zögere ich. Was, wenn mir sein Geschenk nicht gefällt? Wenn ich enttäuscht bin? Vielleicht ist es das Falsche, und dann müsste ich mich trotzdem freuen, oder zumindest so tun, um ihn nicht zu verletzen. Er guckt so erwartungsvoll. Egal. Ich kann meine Neugier nicht länger beherrschen. Mit spitzen Fingern öffne ich das Tütchen und linse hinein. Ich sehe etwas Rotes, etwas Weißes und etwas Silbernes und schüttele den Inhalt vorsichtig in meine Handfläche.
    Wow! Es ist ein hauchzartes Halskettchen mit einem rot und weiß emaillierten Sternanhänger.
    Ein Stern in meinen Lieblingsfarben … Ich habe noch nie etwas so Süßes gesehen!
    „Gefällt es dir?“, fragt Phillip aufgeregt.
    Ich kann nur stumm nicken. Ich freue mich wirklich. Die Kette ist wunderschön.
    Aber mir hat noch nie ein Junge Schmuck geschenkt. Noch nie! Ich weiß echt nicht, was ich sagen soll. Hat das jetzt etwas zu bedeuten? Steckt vielleicht irgendeine tiefere Symbolik dahinter? Wenn ja: welche? Ich fühle mich leicht überfordert.
    Stell dich nicht so an!, flüstert mir eine leise Stimme ins Ohr. Es ist nur eine Kette, kein Verlobungsring.
    Okay, denke ich erleichtert. Dann ist ja alles gut.
    Ganz behutsam nimmt Phillip mir das Kettchen aus der Hand, legt es mir um und gibt mir noch einen Kuss.
    „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, sagt er leise. „Ich glaub, wir kommen zu spät.“
    „Egal“, antworte ich.
    „Du küsst besser als mit vierzehn“, stellt er fest.
    Wir lachen übermütig. Ein älteres Ehepaar, das mit seinem Dackel vorbeispaziert, nickt uns freundlich zu.
    Ich will nicht in die Schule! Ich will den Tag mit Phillip im Park verbringen!
    Leider siegt die Vernunft. Phillip setzt seinen Helm auf und geht zu seinem Motorroller, den er neben der Brücke abgestellt hat. „Lass das Rad stehen. Ich nehm dich mit.“
    „Geht nicht“, sage ich. „Ohne Helm.“
    Er zuckt mit den Achseln und schiebt den Roller neben mir und meinem Rad her. Immer wieder schaut er mich an. Und ich fühle immer wieder nach, ob die Kette mit dem kleinen Stern noch da ist. Ist sie.
    Erst am Ausgang des Parks startet Phillip den Motor. Ich winke ihm zu, dass er ruhig vorfahren soll. „Wir sehen uns an der Schule!“
    Dank einer Abkürzung, die ich nehme, kommen wir fast gleichzeitig am Lessing-Gymnasium an. Am Fahrradunterstand steht Paul und grinst uns entgegen. Er hat sein Lieblings-T-Shirt an. MATHE IST EIN ARSCHLOCH , prangt es neongrün auf seiner Brust. … UND PHYSIK IST SEIN KLEINER BRUDER , steht auf der Rückseite. Er liebt solche T-Shirts.
    „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, sagt er und schüttelt mir formvollendet die Hand.
    Ich grinse. Dafür, dass ich Paul schon seit Ewigkeiten kenne, benimmt er sich ganz schön förmlich!
    Wir schließen unsere Räder ab. Phillip parkt den Roller, klemmt sich seinen Helm unter den einen Arm und legt den anderen um mich. In der Aula trennen sich unsere Wege.
    Außer mir haben vor ein paar Jahren alle meine Freunde Latein als zweite Fremdsprache gewählt. Billi will Bio studieren, Anna Medizin. Phillip möchte vielleicht Meeresbiologe werden. Lauter Studiengänge, für die man Latein braucht.
    Nur Paul weiß noch nicht, was für eine Laufbahn er später mal einschlagen will. Im Moment ist er bei ‚ Gitarrist in einer Heavy Metal Band‘, wofür man nicht zwanghaft Latein können muss, soweit ich weiß. Ich vermute, er hat es aus purer Bequemlichkeit gewählt – es stand auf der Fremdsprachenliste an erster Stelle – und weil er mit Phillip in einer Klasse bleiben wollte. Paul war schon immer ein Herdentier.
    Nur ich habe mich für Französisch als zweite Fremdsprache entschieden. Früher wollte ich Tierärztin werden. Oder Kinderärztin, wie meine Mutter. Aber das ist ewig lange her. Im Moment tendiere ich zu Journalismus. Ich schreibe gerne. Tagebuch, kleine Texte, alles Mögliche. Manchmal auch Gedichte, aber die darf außer mir niemand lesen.
    Mir schwebt vor, später in einer Zeitungsredaktion zu
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