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Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Titel: Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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er sabbert vor sich hin, und dann reißt er eine Zote. Zum Glück nimmt Phillip mich in den Arm, sonst würde ich angesichts dieser geballten Dämlichkeit glatt platzen.
    Anna weicht meinem Blick vorsichtshalber aus. Ich würde ihr zu gerne mal meine Meinung geigen, aber sobald es um Lukas geht, blockt sie total ab. Dabei ist er ein echter Kotzbrocken. Superarrogant und komplett abgehoben. Ich würde es keine zehn Minuten mit dem in einem geschlossenen Raum aushalten, und ich wundere mich, wie Anna das erträgt. Ist wohl was dran, dass Liebe blind macht. In diesem Fall nicht nur blind, sondern auch taub. Aber vielleicht hat er ja andere Qualitäten – auch wenn er die ziemlich gut verborgen hält. Irgendwie bin ich froh, als es zur Stunde gongt.
    Phillip fragt mich, wann ich Schluss habe.
    „Um zwei“, stöhne ich. „Sieben Stunden. Und das an meinem Geburtstag!“
    „Soll ich auf dich warten?“
    Ich schüttele den Kopf. „Nee, lass mal. Ich fahr lieber direkt nach Hause.“
    Ich denke daran, was ich noch alles erledigen muss, bevor mein Besuch aufkreuzt: den Tisch decken (hoffentlich im Garten), den Grill putzen, mich umziehen, Musik raussuchen, Lichterketten aufhängen, meine Pickel weglabern … Es gibt viel zu tun. Keine Zeit für Streicheleinheiten. Leider, seufz.

Stell dir vor, du bist fünfzehn und keiner merkt den Unterschied, weil deine Party ein Kindergeburtstag ist.

    Nach der Siebten bin ich als Erste an den Fahrradständern und werfe einen Blick in den Himmel. War es vorhin nicht noch sonnig und frühlingsmäßig warm? Wo kommen bitte schön plötzlich all diese fetten Wolken her? Hilfe! Nichts ist schlimmer als ein Geburtstag, der ins Wasser fällt. Besonders wenn man vorhat, draußen zu feiern!
    „Bitte nicht!“, schicke ich ein Stoßgebet nach oben. „Wehe!“
    Ich hab’s ja schon gesagt: Ich habe mit meinem Geburtstagsdatum die Arschkarte gezogen. Kaum fahre ich los, fängt es in Strömen zu gießen an. Sekunden später bin ich klatschnass. Und eiskalt. Und sehr verzweifelt.
    Vor unserem Haus baden zwei Spatzen in einer Pfütze und tschilpen schadenfroh, während ich mein Rad in die Garage schiebe und den Tränen nahe bin. Was heißt nahe? Nur mit äußerster Selbstdisziplin gelingt es mir, sie zurückzuhalten. Bis ich an der Haustür bin, ist es mit der Beherrschung allerdings vorbei und ich heule wie ein Schlosshund. So ein Mist!
    Jakob ist schon da. „Bist du nass geworden?“, grient er.
    „Wie kommst du darauf?“ Ich wringe mein T-Shirt aus und niese zweimal hintereinander. Na super! Jetzt noch eine Erkältung und mein Glück ist perfekt!
    „Du tropfst.“
    „Echt? Hätte ich gar nicht gemerkt. Danke.“ Ich schiebe mich an ihm vorbei, durch den Flur und die Treppe hoch. Unterwegs niese ich noch einmal. Toll, ganz toll.
    „Das ist doch nur ein Schauer“, sagt meine Mutter, als sie kurz nach mir aus der Praxis kommt. „Dahinten wird’s schon wieder heller. Siehst du?“
    „Nö“, schniefe ich. Wie kann man nur so optimistisch sein? In der Richtung, in die sie zeigt, versammeln sich neue Regenwolken, die ganz klar nur ein einziges Ziel haben: mir meine Laune und meinen Geburtstag gründlich zu vermiesen!
    Ich habe mir einen Handtuchturban um den Kopf geschlungen und dicke Wollsocken an den Füßen. So viel zum Thema Aprilwetter. Am liebsten würde ich mich in mein Bett verkriechen, so kalt und klamm fühle ich mich. Und so unglücklich. Nicht mal mein schickes neues Himbeerlaptop schafft es, mich zu trösten. Obwohl ich ihm als Desktophintergrund eine Südseelandschaft mit Palmen und kristallklarem Wasser spendiert habe.
    Genau da möchte ich jetzt sein, am sonnenwarmen Strand, weit weg von Neustadt und meinem verregneten Geburtstag. Aber statt unter einer Palme zu liegen und mich von Phillip mit einer eigenhändig gepflückten Kokosnuss füttern zu lassen, bin ich auf einer drauf. Auf der höchsten Palme, die man sich nur vorstellen kann!
    „Alles ist nass! Die Gartenstühle, der Grill, alles“, jaule ich. Wenn schon Elend, dann richtig! Aber Mama lässt es nicht gelten.
    „Hol die Lichterketten aus dem Keller“, ordnet sie an. „Und nimm das Grillfleisch aus der Marinade!“
    Das klingt eindeutig nach pädagogisch wertvoller Ablenkungs- und Beschäftigungstherapie.
    Maulend erledige ich die Aufträge und werfe dabei immer wieder einen Blick aus dem Fenster. Der Regen hat tatsächlich aufgehört. Blitzt dahinten wirklich die Sonne zwischen den Wolken hervor oder ist
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