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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin
Autoren: Stephen Fine
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kaum erwarten konnte, mit meiner Arbeit fortzufahren. Die Zeit wird knapp. Ich habe festgestellt, daß die herannahende Termination meine Konzentration nicht beeinträchtigt, beides läßt sich gut miteinander vereinbaren. Es gibt noch einen weiteren Ansporn, das Projekt zu Ende zu führen. Einige Wochen zuvor habe ich mich insgeheim mit einem Verlagshaus in Malibu über die Veröffentlichung dieser Spule verständigt, und obwohl der Herausgeber und ich nur einmal über Armbandtelefon miteinander gesprochen haben und er offenbar nicht recht zu glauben vermag, daß ich echt bin, glaube ich doch, daß er einsehen wird, es mit der authentischen Heldin dieser Abenteuer zu tun gehabt zu haben, wenn meine Datenspule ihm posthum zugeht. (Tad weiß es noch nicht, aber ich werde sie ihm zu treuen Händen hinterlassen, mit einer erklärenden Notiz bezüglich der Übersendung an den Verleger.) Selbst wenn der Herausgeber meinen Bericht für eine Fälschung hält, wird er kaum der Versuchung widerstehen können, das Material zu Geld zu machen. Immerhin nenne ich Namen – Harry Boffo und Micki Dee, zum Beispiel –, und ich werfe ein faszinierendes neues Licht auf andere Prominente, wie etwa Frank Hirojones und Präsident Fracass.
    Aber wo war ich stehengeblieben? O ja, ich sprach von letzter Nacht. Aber davon habe ich Ihnen genug erzählt. Welche Tageszeit wir haben? Später Nachmittag. Ich bin froh, sagen zu können, daß die Aussicht bald nicht mehr von dem Mammutschiff, der Neu-San Francisco, beeinträchtigt sein wird. Die Zugbrücken heben sich, und die Maschinen erzeugen einen stampfenden, infernalischen Lärm. Ah, es erhebt sich auf seine Pontons und sticht in See, der Chef weiß, mit welchem Kurs – China oder Australien. Spektakuläre weiße Schaumberge werden aufgewühlt, Gischt spritzt über die gesamte Promenade. Sie sollten die Huren und Touristen laufen sehen!
    Eventuell könnten die Zellgenomen mir helfen. Oder waren es Gnome? Ich werde einfach kleine Männchen imaginieren, die in meiner DNA nach dem Bremshebel für die Termination suchen. Nein. Wozu die Mühe? Sie haben Freddy nicht geholfen, als es soweit war, und auch keiner anderen Einheit, also kann ich nicht erwarten, daß sie im letzten Augenblick zu meiner Rettung herbeieilen. Ich habe in der Klinik genügend Zeit damit verschwendet, ihr Eingreifen zu formatieren. Alles Unsinn.
    Inzwischen ist ungefähr eine Stunde vergangen. Ich mußte eben an Jubilee denken, die wirkliche Jubilee – nicht den Hund! Wie ich mir wünsche, sie wäre hier! Nun ja. Das Leben ist sehr gütig zu mir gewesen und hat mir Junior, Tad und Anna wiedergegeben; über ein oder zwei lose Enden darf ich nicht ungehalten sein. Trotzdem, ich frage mich, wie sie jetzt aussehen mag – wenn sie noch lebt. Sie wurde geboren im Mai 2082, also ist sie siebeneinhalb. Lieber Chef! Nach menschlichen Maßstäben geht sie auf die dreißig zu, und da sie ein Semi ist, wird man ihr das Alter ansehen. Wenn ich bedenke, wie dicht davor ich war, sie in Horizont noch als Kind wiederzusehen. Verfluchte Invasion!
    Da wir von bevorzugten Formaten sprechen, ich würde zu gerne wissen, was nach Evas Tod aus ihrem ganzen Mel geworden ist. Von Rechts wegen gehört die Hälfte davon mir. Ich hätte es gerne Tad und Anna hinterlassen, damit sie sich eine bessere Wohnung leisten können oder vielleicht sogar ein anständiges Modulkondo auf dem Big Bear. Am besten wäre es, sie würden die Inseln ganz verlassen und in einer anderen Gegend neu anfangen. Hier gibt es zu viele Erinnerungen. Erinnerungen. Das ist alles, was einem am Ende noch bleibt. Erinnerungen. Ich bin überzeugt, Blaine hat sich Evas gesamten Besitz angeeignet, kaum daß sie verheiratet waren. Ja, ganz sicher, dahin ist all mein in Malibu schwer verdientes Mel gewandert. Nun ja.
    Oh, ich muß ein Weilchen eingenickt sein. Man stelle sich vor! Am Tag meiner Termination. Anna berichtet, daß ich im Schlaf gesprochen habe, irgend etwas über den Mars. Ich kann mich nicht entsinnen. Und was sagt sie jetzt? Was? Lauter. Vielleicht werden wir uns in einem anderen Format wiedersehen? Hmmmm. Anna, hältst du das für wünschenswert? (Sie nimmt es sich wirklich sehr zu Herzen.)
    Nun ja.
    Jetzt ist es Nacht, gegen zwölf, denke ich, weil sich alle zum Abschied um mich versammelt haben. Dreckspatz liegt zusammengerollt zu meinen Füßen und betrachtet mich unverwandt mit ihren traurigen Augen. Es ist sehr ruhig, sehr still. Ich nehme an, sie glauben alle,
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