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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin
Autoren: Stephen Fine
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sah (der neue, vom Studio ausgewählte Titel für Das Leben und die Abenteuer der berüchtigten Molly Dear). Tad und Anna hatten sich bemüht, es vor mir geheimzuhalten – nicht die Holospule, wohlgemerkt, sie waren sich zu schade, ein derartiges Machwerk zu kaufen –, sondern die Tatsache, daß sie herausgekommen und ein großer Erfolg geworden war. Sie fürchteten, ich würde darauf bestehen, das Holo zu sehen, und mich aufregen, und sie hatten recht. Einer der Pilger, der nicht wissen konnte, mit wem er es zu tun hatte (für sie war ich ›die alte Dame‹), überließ mir seine Kopie, und so genoß ich zweieinhalb Stunden lang das Privileg, die brutale Verstümmelung meiner Lebensgeschichte miterleben zu dürfen. Man hatte sich im großen und ganzen an die von den Anwälten vor Gericht bereits etablierten Interpretationen gehalten, nur zeichnete das Holo ein noch radikaleres und blutrünstigeres Bild. Wenn Sie zu der Viertelmillion Leuten gehören, die tatsächlich gutes Mel bezahlten, um diese Karikatur zu sehen, dann werden Sie sich entsinnen, daß ich als lasergeile Massenmörderin porträtiert wurde, die auf ihrem Weg nach Horizont genügend Menschen niedermetzelte, um ein weiteres Sonnensystem zu bevölkern; jede Gewalttat war abstoßender und grausamer als die vorhergehende, und den Höhepunkt erreichte das entsetzliche Spektakel mit der Ermordung von Präsident Fracass. Für all jene, die es vielleicht nicht gesehen haben, möchte ich anmerken, daß ich die Rolle des Bösewichts in dem Stück besetzte, der eigentliche Held war ein geläuterter Thaddäus Locke. Kurz zusammengefaßt: Nachdem er bis zur Hälfte des Films mein aquarischer Kollaborateur und Liebhaber gewesen ist, erkennt er in Horizont (dargestellt als totalitärer Droidenstaat) seinen Irrtum und macht sich die Sache der Humanisten zu eigen. Zum Einstand informiert er sie über Smedlys geheime Kontakte zur RAG und klärt sie selbstverständlich darüber auf, daß die First Lady ein P9 ist, doch zu spät, um das Leben des großen Humanisten zu retten. Am Ende werden Anstand und Ordnung wiederhergestellt: Man exterminiert mich im Rahmen einer gesetzten und formellen Zeremonie, und Tad, der edle Büßer, muß den bewußten Knopf drücken.
    Es hielt mich nicht im Bett, so wütend war ich! »Das ist nicht mein Leben!« schrie ich. »Das ist reine Erfindung! Lüge!« Eine speichelsprühende Tirade auf die Gebieter folgte, und ich geriet dermaßen in Rage, daß mich beinahe der Schlag getroffen hätte. Tad und Anna stürzten herein, beruhigten mich, entdeckten die Holospule und stellten unverzüglich den Pilger zur Rede, der sie mir geliehen hatte. Die Einheit, ebenfalls ein P9, vermochte meine Reaktion nicht zu begreifen, denn, wie jeder wußte (nur ich nicht), der Streifen war im Untergrund nicht weniger gut angekommen; den flüchtigen Androiden imponierte die Kaltschnäuzigkeit, mit der die überlebensgroße Molly ihre Gegner aus dem Weg räumte. »Das ist eine rechtschaffene Einheit«, faßte er die vorherrschende Meinung der Flüchtlingskommune zusammen. Nun, ich sah in ihrer Haltung eine furchtbare Ironie, denn indem sie sich mit dieser tollwütigen Droidengestalt identifizierten, akzeptierten er und die Androiden, die seine Ansicht teilten, das Negativklischee der mordgierigen autonomen Einheit. Als ich ihn darauf aufmerksam machte und sagte, diese Art von Unterhaltung sei geeignet, uns zu entwürdigen und zu verunglimpfen, während sie gleichzeitig die irrationalen Ängste und Vorurteile der Gebieter schürte, antwortete er, es wäre doch nur ein Holo und man dürfe es nicht so ernst nehmen. Da er jetzt wußte, wie ich darüber dachte, würde er mir die Fortsetzung nicht geben, wenn sie herauskam. »Fortsetzung?« fragte ich ahnungsvoll. »Ja. Droid II! «
    Mehr brauchte es nicht. Ich beschloß an Ort und Stelle, daß ich wirklich etwas tun mußte, um in den Monaten, die mir noch blieben, mein Bild in der Öffentlichkeit zurechtzurücken, und als Folge jener Entscheidung entstanden die vorliegenden Memoiren – heimlich, muß ich gestehen, weil ich nicht wollte, daß Tad und Anna herausfanden, was ich vorhatte. Ich befürchtete, ihr Enthusiasmus (ich gehe davon aus, sie wären enthusiastisch gewesen) könnte meine Erinnerungen verfälschen; es ist kompliziert genug, sie aus einer einzigen Perspektive richtig zu bewerten, da sie außerdem mit der Zeit ein eigenes Leben zu entwickeln scheinen und um so schwerer zu bändigen sind, je älter ich
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