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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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was sie auf der Leinwand schufen, auch nur annähernd der reinen Liebe zwischen König Maurice und Königin Maureen ebenbürtig war. Es heißt, an jenem Tag, als der König und die Königin erfuhren, dass die Königin guter Hoffnung war, spannte sich ein Regenbogen über das Königreich, größer und schöner, als man je einen gesehen hatte. Es war, als wollte sogar noch der Himmel ein Jubelbanner schwenken.
    Doch nicht alle freuten sich für den König und die Königin. In einer Höhle am äußersten Ende des Königreichs lebte ein Mann, der der Liebe abgeschworen hatte. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Vorzeiten hatte auch Rapscullio einmal gehofft, für ihn könnte ein Märchen wahr werden und es würde sich alles zu seinem Glück fügen – und zwar mit einem Mädchen, das über sein Narbengesicht und seine krummen Gliedmaßen hinweggesehen hatte und ihm mit Güte begegnet war, als er von aller Welt verachtet wurde. Immer wieder durchlebte er im Geiste den Tag, an dem er von seinen Schulkameraden grob in den Schmutz gestoßen worden war und sich ihm eine schlanke, weiße Hand entgegengestreckt hatte, um ihm aufzuhelfen. Wie hatte er sich an sie geklammert, an diesen Engel, seinen Rettungsanker! Tage hatte er damit zugebracht, ihr zu Ehren Gedichte zu ersinnen und Porträts von ihr zu malen, von denen keines ihrer Schönheit gerecht wurde. Und er hatte nur auf den richtigen Augenblick gewartet, um ihr seine Liebe zu gestehen. Doch dann fand er sie in den Armen eines Mannes, wie er nie einer sein konnte: eines hochgewachsenen, starken Mannes, zu Großem berufen. Rapscullio war daraufhin in noch tiefere Düsterkeit verfallen und hatte sich mehr denn je in seinem Hass vergraben. Das Bild seiner Geliebten war ausgeklügelten Racheplänen gegen jenen Mann gewichen, der sein Leben zerstört hatte: König Maurice.
    Eines Nachts hob draußen vor den Toren des Königreichs ein Gebrüll an, wie man es noch nie vernommen hatte. Die Erde erbebte und ein Feuerstrahl schoss aus dem Himmel und setzte die Strohdächer des Dorfes in Brand. Als König Maurice und Königin Maureen vor das Schloss rannten, erblickten sie ein riesiges schwarzes Ungeheuer mit rotglühenden Augen und geschuppten Flügeln, groß wie Segel. Es raste über den Nachthimmel, stieß seinen Schwefelatem aus und spie Feuer. Rapscullio hatte einen Drachen auf eine magische Leinwand gemalt, und der Dämon war lebendig geworden. Der König blickte von den entsetzten Gesichtern seiner Untertanen zu seiner Frau, doch diese war, gekrümmt vor Schmerzen, auf die Knie gesunken. »Das Kind«, flüsterte sie, »das Kind kommt.«
    Hin und her gerissen zwischen Liebe und Pflicht, wusste der König doch, was er zu tun hatte. Er küsste seine geliebte Frau, ließ sie in der Obhut ihrer Zofen zurück und versprach ihr, rechtzeitig zurück zu sein, wenn sein Sohn das Licht der Welt erblickte. Dann schwang er sein Schwert hoch in die Luft und ritt voller Wagemut und Zorn mit hundert Rittern in glänzender Rüstung über die Zugbrücke des Schlosses.
    Aber einen Drachen zu besiegen ist kein einfaches Unterfangen. Als er mit ansehen musste, wie seine treuen Krieger von ihren Reittieren geschleudert und von dem feuerspeienden Ungeheuer in den Tod gerissen wurden, wusste König Maurice, dass er die Sache selbst in die Hand nehmen musste. Das Schwert eines gefallenen Ritters mit der linken Hand ergreifend und sein eigenes Schwert in der rechten, trat er an, den Drachen herauszufordern.
    Während die Nacht immer dunkler wurde und draußen vor den Schlossmauern die Schlacht tobte, gebar die Königin unter Qualen ihren Sohn. Wie es bei einem Königsspross Sitte war, versammelten sich die Feen des Königreichs, um das Neugeborene mit ihren Gaben zu beschenken. In strahlendes Licht getaucht, schwebten sie über dem Bett der Königin, die vor Schmerz und Sorge um ihren Mann wie von Sinnen war.
    Die erste Fee versprühte einen leuchtenden Nebel über dem Bett, so gleißend, dass die Königin die Augen abwenden musste. »Ich schenke diesem Kind Weisheit«, sagte die Fee.
    Die zweite Fee sandte einen Hitzestrahl aus, der die Königin auf ihrem Lager umhüllte. »Ich schenke diesem Kind Treue«, sagte sie.
    Die dritte Fee hatte den Kleinen eigentlich mit Mut beschenken wollen, denn jedes Königskind braucht eine ordentliche Portion Tapferkeit. Aber noch ehe sie ihre Gabe verleihen konnte, setzte sich Königin Maureen plötzlich im Bett auf, die Augen weit aufgerissen, denn sie sah ihren
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