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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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Buchdeckeln gefangen. Also wo genau sind sie? Und was treiben sie in der Zeit, wenn das Buch geschlossen ist?
    Einmal hat ein Leser – ein sehr junger – das Buch hingeworfen, es klappte auf und blieb auf einer Seite offen liegen, auf der nur ich vorkomme. So konnte ich der Anderswelt eine ganze Stunde lang zusehen. Diese Riesen stapelten Bausteine aus Holz mit Buchstaben darauf aufeinander und bauten daraus monströse Gebäude. Sie vergruben ihre Hände in einem tiefen Kasten mit genau dem gleichen Sand, wie wir ihn am Ewigkeitsstrand haben. Sie standen vor einer Staffelei, wie Rapscullio sie benutzt, aber diese Künstler hatten einen ganz eigenen Stil – sie tauchten ihre Hände in die Farbe und schmierten farbige Schnörkel auf das Papier. Schließlich neigte sich eines der Andersweltgeschöpfe, das so alt wie Königin Maureen aussah, stirnrunzelnd über das Buch, sagte: »Kinder! So geht man nicht mit Büchern um«, und schloss mich dann aus.
    Als ich den anderen erzählte, was ich gesehen hatte, zuckten sie nur die Schultern. Königin Maureen schlug vor, ich sollte wegen meiner seltsamen Träume Orville konsultieren und ihn um einen Schlaftrunk bitten. Frump, innerhalb und außerhalb des Märchens mein bester Freund, glaubte mir. »Und was macht das für einen Unterschied, Oliver?«, fragte er. »Warum Zeit und Energie damit verschwenden, über einen unerreichbaren Ort oder eine Person, die man nie sein wird, nachzudenken?« Sofort bereute ich, dass ich es zur Sprache gebracht hatte. Frump ist nicht immer ein Hund gewesen – in der Geschichte wird er als Figgins von Rapscullio in einen gewöhnlichen Hund verwandelt. Da dies nur in einer Rückblende erwähnt wird, taucht er im Text ausschließlich als Hund auf, und deshalb bleibt er das auch, wenn wir die Bühne verlassen.
    Frump schlägt meine Dame. »Schach und Matt!«, triumphiert er.
    »Warum gewinnst du eigentlich immer?«, seufze ich.
    »Warum lässt du mich immer gewinnen?«, sagt Frump und kratzt sich hinter dem Ohr. »Blöde Flöhe.«
    Wenn wir arbeiten, spricht Frump nicht – dann bellt er nur. Er trabt hinter mir her wie ein, na ja, treues Hündchen. Sieht man ihn auf der Bühne, würde man nie vermuten, dass er uns im wirklichen Leben alle herumkommandiert.
    »Ich glaube, oben auf Seite 47 habe ich eine Träne gesehen«, bemerke ich so beiläufig wie möglich, obwohl ich, seit ich sie entdeckt habe, darauf brenne, dorthin zurückzukehren und mehr darüber zu erfahren. »Willst du mitkommen und nachsehen?«
    »Ehrlich, Oliver. Nicht schon wieder.« Frump verdreht die Augen. »Du bist wie ein Zirkuspferd, das nur ein einziges Kunststück kann.«
    »Hat mich jemand gerufen?« Socks trottet herbei. Er ist mein treues Ross und außerdem ein weiteres glänzendes Beispiel dafür, dass der äußere Anschein zuweilen trügt. Auf den Seiten unserer Welt schnaubt und stampft er wie ein stolzer Hengst, doch wenn das Buch zugeschlagen wird, ist er ein Nervenbündel mit dem Selbstvertrauen einer Stechmücke.
    Ich lächle ihn an, denn sonst würde er denken, dass ich ärgerlich auf ihn bin. Er ist nämlich sehr sensibel. »Nein, niemand …«
    »Ich habe aber ganz deutlich das Wort Pferd gehört …«
    »Das war doch nur eine Redensart«, bemerkt Frump.
    »Aber da ich schon mal hier bin, seid ehrlich«, bittet uns Socks und dreht sich halb herum. »Mit diesem Sattel sieht mein Hintern total fett aus, oder?«
    »Nein«, beeile ich mich ihm zu versichern, während Frump heftig den Kopf schüttelt.
    »Du bestehst nur aus Muskeln«, sagt Frump. »Ich wollte dich gerade fragen, ob du trainiert hast.«
    »Das sagt ihr nur, damit ich mich besser fühle«, schnieft Socks. »Ich hab doch gewusst , ich hätte beim Frühstück auf die letzte Karotte verzichten sollen.«
    »Du siehst toll aus, Socks«, beharre ich. »Ehrlich.« Doch er schüttelt seine Mähne und trottet beleidigt zum anderen Ende des Strandes zurück.
    Frump rollt sich auf den Rücken. »Wenn ich mir das Gejammer dieses dämlichen Gauls noch einmal anhören muss …«
    »Genau davon rede ich«, falle ich ihm ins Wort. »Was, wenn du das nicht müsstest? Was, wenn du überall, wenn du alles sein könntest, was du willst?«
    Ich habe da so einen Traum. Es ist irgendwie verrückt, aber in dem Traum laufe ich eine Straße entlang, die ich noch nie gesehen habe, in einem Dorf, das mir fremd ist. Ein Mädchen rennt gehetzt auf mich zu, die dunklen Haare wehen wie eine Fahne hinter ihr her, und vor
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