Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
später als Dolmetscher für die Erste Liga arbeiten will, und dass irgendwer erwähnt hat, dass es vielleicht nach dem Unterricht noch einen Zusatzkurs in Mandarin gibt. Eine Leichtathletik-AG anscheinend auch. Ich kann also mit dem Laufen weitermachen.
    Mum sieht echt erfreut aus und sagt: »Ich krieg dich schon noch dazu, dass du studierst!«, und Doug sagt: »Wir haben ja extra eine Schule ausgesucht, in der du ordentlich ausgelastet bist. Deine Mutter fand diese hier gut, weil sie auf Sprachen spezialisiert ist.« Dabei sieht er ziemlich überheblich aus, aber das ist nun mal sein normaler |366| Gesichtsausdruck. Ich grinse Mum an, weil ich ihren Einsatz als Friedensangebot anerkenne.
    Dann sagt Doug: »Ich habe Neuigkeiten für dich, Ty«, und Mum macht ein komisches Gesicht. Glücklich, aber auch irgendwie gestresst.
    »Was denn für Neuigkeiten?«, frage ich und Doug sagt: »Deine Oma kommt wieder nach England und deine Tanten auch. Deine Tanten wohnen dann in Manchester, wir besorgen ihnen eine Wohnung und du darfst sie dort besuchen, denn es ist gar nicht weit von hier.«
    »Und Gran?«
    »Die zieht hierher und wohnt bei euch.«
    »Jippie!« Ich freue mich so, dass ich laut schreie und herumbrülle, und ich sehe, wie sich Mum eine Träne wegwischt.
    »Aber   … wo soll sie denn hier wohnen? Platz ist ja nicht gerade viel.«
    »Unten gibt es noch eine kleine Atelierwohnung, die leer steht. Die haben wir für sie angemietet. Es ist nicht das, was sie gewohnt ist, aber sie ist bestimmt froh, wieder bei euch zu sein.«
    »Besonders bei dir!«, sagt Mum und geht in die Küche, Tee machen.
    Später, als Doug wieder weg ist und ich Jeans und T-Shirt angezogen habe, beschließen wir, uns irgendwo Fish ’n’ Chips zu holen und am Strand zu essen. Es ist ein sonniger Abend und irgendwie beruhigend, den heranrollenden Wellen zuzuschauen. Ich hatte schon überlegt, ob ich es mal mit Surfen probiere, das scheint |367| hier schwer angesagt zu sein, und Mum findet die Idee gut.
    »Alles klar bei dir?«, frage ich. »Bist du nicht froh, dass Gran zu uns zieht?«
    »Na, aber! Klar bin ich froh darüber.«
    »Stimmt nicht. Mir brauchst du nichts vorzumachen.«
    Sie seufzt. »Na ja, weißt du, Gran war halt noch nie so richtig mit mir zufrieden, Ty. Ich war nie das brave katholische Mädchen, das sie gern gehabt hätte.«
    »Die beiden anderen doch auch nicht«, wende ich ein, aber sie sagt nur: »Schwanger mit fünfzehn? Das musst du erst mal toppen!«
    Sie überlegt und fährt fort: »Dich dagegen betet sie an, und klar, wir haben ab und zu bei ihr gewohnt, bis du fünf warst, und auch, als wir unsere eigene Wohnung hatten, warst du noch oft bei ihr. Jeden Tag nach der Schule, in der Ferien   … Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich zu keinem von euch richtig gehöre. Als hätte mir meine Mutter meinen Sohn weggenommen   – und mein Sohn mir meine Mutter.«
    »Ach so. Tut mir leid. Das habe ich nicht gewusst.« Ich habe ein schlechtes Gewissen, bin aber auch ein bisschen verärgert, denn ich habe sie nicht drum gebeten, mich zu Gran abzuschieben.
Weggenommen
finde ich ein bisschen übertrieben. Dann frage ich: »Warum haben wir denn nur ab und zu bei ihr gewohnt? Ich dachte, wir hätten einfach da gewohnt.«
    »Das ist eine lange Geschichte. Wir haben versucht, mit deinem Dad zusammenzuwohnen, nur wir drei. Es |368| hat einfach nicht geklappt. Irgendwann erzähl ich dir mal alles. Aber es lag nicht an dir, kapiert? Ich hab Gran den ganzen Mamakram überlassen. Ich dachte, sie kann das besser als ich, und wahrscheinlich hat das sogar gestimmt.«
    »Du machst das gar nicht so schlecht.« Ich greife rüber und klaue mir eine große Handvoll Pommes.
    »Lügner!«, lacht sie und eine Möwe stürzt sich herab und schnappt sich ihren Rest Fisch.
    »Mir fehlt unsere Wohnung in London«, sage ich. »Ich hab echt gern da gewohnt.« Sie nimmt das als Kompliment und bedankt sich.
    »Aber hier ist es doch auch nicht übel, oder?«, fragt sie, und ich weiß nicht, was ich sagen soll, weil manches zwar gut ist, wie zum Beispiel Fish ’n’ Chips; und Spanisch lernen ist auch super, aber andere Dinge sind kacke, wie zum Beispiel keine Freunde zu haben und dass mir Claire so schrecklich fehlt, dass es wehtut, und dass ich nicht mehr mit Ellie trainieren kann.
    Und ständig diese Sorge wegen unserer Sicherheit, und der Stress, jeden Tag bei den dümmsten Kleinigkeiten lügen zu müssen. Aber so geht das wohl noch eine ganze
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher