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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter
Autoren: Serena David
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waren. Zeitungen flatterten im Wind über den Weg. Darüber aber erhoben sich wieder die ersten Möwen und stiegen wie an Fäden gezogen in höhere Luftschichten. Mit in den Nacken gelegten Köpfen schauten sie ihnen zu.
    Schließlich fragte Adrian: «Gehen wir heim?»
    Ein warmes Glücksgefühl stieg in Ondra auf. Sie küsste ihn lange. «Ja», sagte sie dann. «Gehen wir heim.» Sie umschlangen einander so eng, dass sie beim Gehen fast taumelten. Doch sie genossen es. Als hinter ihnen in der Ferne die ersten Sirenen hörbar wurden, beschleunigten sie ihren Schritt.
    «Wieso hat er gesagt, du sollst dich von Krankenhäusern fernhalten?», fragte Adrian nach einer Weile. «Und wieso nannte er dich Ondra?»
    Ondra lächelte und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. «Das erkläre ich dir», sagte sie. «Eines Tages.»
    Als sie die Steilküste höher und höher stiegen, rauschte unter ihnen ein blaugraues, unwandelbares Meer.

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45. Kapitel
    Monsterwelle blieb aus – Mörder gefasst
    Ein doppeltes Unglück suchte gestern das abgelegene Broxton an der englischen Südküste heim. Laut Augenzeugenberichten kam es zu einem von keiner meteorologischen Station angekündigten Unwetter; gleichzeitig baute sich vor der sonst so friedlichen Bucht eine riesige Tsunamiwelle auf. Handyfotos, wie unsere Abbildung eines zeigt, bestätigen deren Existenz, wenn die Beobachtungsstationen auch durchweg melden, dass kein Seebeben und keine ungewöhnliche Aktivität im restlichen Bereich des Kanals festgestellt werden konnte. Die Untersuchungen durch Wissenschaftler des geologischen Instituts halten an. Bislang jedoch fehlt für die Entstehung einer solchen Flutwelle im Kanal jede plausible Erklärung. Zu Schäden, abgesehen von unter den flutartigen Regenfällen abgerutschten Straßenpartien, kam es nicht. Jedoch wurden die meisten der Broxtoner Fischerboote durch das der Woge vorausgegangene Trockenfallen beschädigt. Die Versicherungen prüfen den Fall.
    Trotz der widrigen Umstände gelang es der örtlichen Polizei am selben Tag, den mutmaßlichen Mörder der vor Tagen verschwundenen jungen Touristin Rosalind M. zu fassen. Wir berichteten. Der Verdächtige, ein ortsansässiger Pensionswirt, wird nach Angaben der Polizei von Indizien schwer belastet. Er ist nicht geständig.
    Maud St. A., eine Broxtoner Geschäftsfrau, legte unserer Zeitung gegenüber Wert auf den Hinweis, dass die Pension des Beschuldigten von ihr und der unbescholtenen Gattin des Ned D. in vorbildlicher Weise und unbelastet weitergeführt werde. Man plane demnächst Fischwochen und das Angebot von All-inclusive-Aufenthalten mit geführten Bootstouren in der nun wieder friedlichen, schönen Broxtoner Bucht.
    «Ja, danke. Danke. Ich melde mich.» Adrian legte den Hörer auf und ging zurück in die Küche. Er goss heißes Wasser in die Kanne, stellte vier Becher dazu, Milch und Zucker und trug alles vorsichtig hinaus. Er ging durch den Garten, in dem die letzten Rosen blühten, und weiter bis zur Grasfläche, die zwischen dem Haus und dem Küstenvorsprung lag. Dort, mit Blick auf das Meer und die ganze Weite des Horizonts, saß Rose auf einem Schemel, in der Hand einen Pinsel und vor sich auf einer Staffelei eine Leinwand, die sich langsam mit allen Schattierungen von Blau füllte. Da ihre Rechte noch ein wenig steif war von der Verletzung, hatte sie sich für die Farbpalette von Adrian einen Ständer basteln lassen.
    Ondra saß neben ihr im Gras. «Ich mag es, wie du das Licht einfängst», sagte sie, ehe sie die Augen zusammenkniff, um ihr Gesicht in die letzten warmen Sonnenstrahlen zu halten.
    Adrian trat von hinten an sie heran, hob ihr Haar beiseite und küsste sie auf den Nacken. Rose reichte er eine Tasse Tee. «Kommt Michael noch?», fragte er.
    Sie nickte. «Er wollte es bis vier Uhr schaffen.» Dankbar legte sie den Pinsel weg und nahm einen Schluck Tee. «Und, was sagt er?», erkundigte sie sich. «Der Meister aus London?»
    «Professor Billings? Oh, er ist von dem zweiten Entwurf sogar noch begeisterter als von dem ersten.»
    «Adrian, Wahnsinn.» Ondra sprang auf und umarmte ihn.
    Er lachte. «Ein Hotel wie eine Woge aus Glas, das ist ja auch etwas Besonderes.» Er schenkte Ondra Tee ein, gab drei Löffel Zucker dazu und setzte sich mit untergeschlagenen Beinen neben sie, ehe er ihr die Tasse anbot.
    Sie kostete. «Mmmh. Das ist lecker.»
    «Es ist pappsüß. Wenn du so weitermachst, wirst du noch rund wie …» Er suchte nach einem
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