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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter
Autoren: Serena David
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schaffte es, dass Ondra errötete.
    Dafür, dachte sie, hasse ich ihn noch mehr.
    «Auch ich habe mich angeboten.» Aura trat an seine Seite und warf ihm einen kurzen Blick zu. «Nur für den Fall, dass du eine Freundin brauchst.»
    «Aura, ach Aura. Nein.» Ondra spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Aber es waren Tränen der Wut. Spontan nahm sie die Freundin bei den Händen, dann ließ sie deren kalte Finger wieder los. «Verdammt», rief sie. «Wäre es nicht besser, ihr beide würdet mich vergessen, euch endlich mal aussprechen und miteinander in den Sonnenuntergang schwimmen? Und du kannst mir glauben», wandte sie sich an ihren Vater, «ich komme nicht zurück.»
    Als er zu ihr herumfuhr, sprach sie rasch weiter: «Rose und ich wissen von euch. Niemand sonst. Tötet uns und geht. Mehr ist nicht nötig.»
    Ihr Vater kniff die Augen zusammen. Er war bleich wie Muschelkalk. Noch nie in ihrem Leben hatte Ondra ihn so wütend gesehen. Seine Stimme aber war gefährlich leise. «Das sagst du nur, weil du glaubst, dass ich es nicht tun werde.»
    Ondra hielt seinem Blick stand. «Glaub mir», sagte sie, «ich weiß, wozu du fähig bist.»
    Jetzt trat auch Rose vor. Erneut fasste sie nach Ondras Hand und schloss sie fest in ihre eigene. «Jonas», sagte sie. Es waren ihre ersten Worte seit langem. «Wenn du es tun musst, dann tu es. Ich möchte dir nur sagen, dass ich dich nicht
dafür
verurteile.»
    Er zuckte zusammen, als hätte sie ihm einen Schlag versetzt. Lange sah er die Frau an, deren Familie er getötet und die er verlassen hatte. Die Frau, an die er seit fünfzehn Jahren jeden Tag gedacht hatte, mit dumpfer werdender, aber nie abklingender Trauer.
    Sie bemerkte seinen Blick und lächelte. «Schließt sich hier nicht irgendwie ein Kreis?», fragte sie.
    Der Meerkönig schwieg. Als er endlich den Mund öffnete, um zu sprechen, schnellte Nox vor. In seiner erhobenen Hand hielt er einen schlangenförmigen Dolch aus Walbein.
    «Nein», schrie er und stürzte sich auf Ondra. Er wollte vollziehen, was sein Herr beschlossen hatte, ihrer beider Blut fließen lassen. Ondras menschliche Existenz auslöschen und mit seiner sich vermischen lassen, damit sie als Meerjungfrau weiterleben konnte. Zwei Tode, ein Leben, es war eine harte Rechnung. Wenn sein Herr zu schwach dafür war, war er bereit, sie auf eigene Faust zu begleichen.
     
    Adrian hob die Hände. Im ersten Moment war er verunsichert. Verzagtheit wollte sich ausbreiten. Verzweifelt blickte er zu der Wasserwand, die von einer Bedrohung zu einer Verheißung geworden war. Dort würde er Christy finden. Er wandte sich wieder zu Knightley. «Auf Wiedersehen», sagte er. Dann ging er, ohne sich noch einmal umzusehen, auf das Geländer des Kais zu.
    Knightley formte mit den Lippen lautlos einen Fluch. Er hob seine Waffe, kniff ein Auge zusammen und zielte auf Adrians Schulter. Lange stand er so. Schließlich senkte er die Pistole. «Verdammt.»
    «Was?», schnappte Ned zu seinen Füßen. «Sie lassen den kleinen Scheißer gehen? Der lässt uns hier verrecken, Mann, der lässt uns glatt verrecken!»
    Knightley ging in die Knie und brachte sein Gesicht dicht an Neds, der von ihm abrückte und die Lippen fest aufeinanderpresste. «Was ich die ganze Zeit schon fragen wollte», stieß er zwischen den Zähnen hervor. «Wie hat es sich denn angefühlt, Ned, als das Mädchen unter Ihren Händen erstickte?»
    Er erhielt keine Antwort und erwartete auch keine. Schließlich stand er auf. Er musste den Mercedes kurzschließen und sehen, wie er Ned hineinbekam. Er kniff die Augen zusammen und schaute in den Himmel. Immerhin hatte der verdammte Regen aufgehört.
     
    Donnernd rief der Seekönig Nox’ Namen, doch es war zu spät.
    Rose, die sich schützend vor Ondra gedrängt hatte, brach mit einem Wimmern zusammen. Der Dolch steckte tief in ihrer Schulter.
    Der Meerkönig riss sie an sich und nahm sie in seine Arme. «Rose», flüsterte er. «Meine Rose.»
    Sie öffnete die Augen und schaute ihn an. Sie fühlte das Wasser, das ihren Körper umspülte, weich wie ein Streicheln. Es war gar nicht mehr kalt! Fordernd floss es an ihr entlang, zog zärtlich an ihr. Selten hatte sie sich in ihrem Leben so gehalten und geborgen gefühlt. «Rose!»
    Das war Jonas, ihr Jonas. Er war zurückgekommen. Er sprach mit ihr. Seine Stimme klang noch genau wie damals. Seine Augen waren noch dieselben und schauten sie mit der gleichen Zärtlichkeit an. Rose hätte am liebsten die Augen
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