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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel
Autoren: C Walden
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Schnabelmaske nicht zu nahe an das Fell einer Ratte zu halten.
    Als die Müdigkeit Wolfhart schon fast zu übermannen drohte, ordnete Meister Cagliari an, aufzuhören und den Rattenkeller zu verlassen.
    »Ich möchte, dass Timon mich heute begleitet, um die Behälter einzulagern«, sagte er.
    »Und Theofanos?«, fragte Darenius. »Ihr wisst, dass er sehr beleidigt sein kann.«
    »Er ist im Moment nicht zu gebrauchen«, antwortete Cagliari.
    »Ich übrigens auch nicht mehr«, meinte Darenius, woraufhin er ein Gähnen hervorstieß, das unter seiner Schnabelmaske sehr eigenartig klang.
    »Eine besondere Lage erfordert die besondere Bereitschaft, sich einzusetzen«, erwiderte Cagliari.
    »Habt Ihr übrigens irgendetwas über den Gefangenen gehört, der im Verlies untergebracht wurde?«
    »Damit habe ich nichts zu tun. Ich habe niemanden angefordert – aber in einer Zeit der Belagerung gibt es für gewöhnlich nicht genug Verliese für all die Hochverräter, und die Scharfrichter kommen mit ihrer Arbeit nicht nach.«
    Meister Cagliari ließ Timon die Barke rudern. Wolfhart sah, wie sich das Licht der Bugfackel langsam entfernte.
    Aus dem Verlies waren Rufe zu hören.
    »Ist Kind«, sagte plötzlich Theofanos, der die ganze Zeit über gegen das Mauerwerk gelehnt gesessen und zugesehen hatte, wie Wolfhart und Timon die Barke beluden.
    »Was?«, fragte Wolfhart.
    Theofanos streckte den Arm in die Richtung aus, aus der die Rufe kamen. »Ist Kind«, wiederholte er. Sein Bemühen um eine deutliche Aussprache war nicht zu überhören. »Oder Frau.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Stimme hoch.«
    Wolfhart lauschte angestrengt. Aber da war nichts mehr zu hören.
    Theofanos streckte noch einmal die Hand aus. »Licht«, sagte er und meinte vermutlich die Fackel an der entschwindenden Barke. »Böser Mann!«
    »Warum?«
    »Bruder – Flöhe in Mund getan. Tot.«
    »Wo fährt er hin?«
    »Zeigen?«
    Wolfhart zögerte einen Augenblick.
    Theofanos erhob sich, und als sein Gesicht ins Licht kam, sah Wolfhart, wie groß der Hass sein musste, der sich bei ihm angestaut hatte. Hass auf seinen Herrn, den er für den Tod seines Bruders verantwortlich machte.
    »Später«, sagte Wolfhart. »Erst Ratten ärgern.«
    In Theofanos’ Augen blitzte es, und zum ersten Mal seit langem lächelte er. Aber es war ein kaltes, grimmiges Lächeln.
    Als Wolfhart in den Korridor trat, der die Gewölbe miteinander verband, folgte ihm Theofanos. Darenius hatte seinen Kopf auf einen Tisch gebettet und schlief. Den hinkenden Lazaros hörte man im Nachbarraum herumhantieren. Dem scharfen Geruch nach, der durch die offen stehende Tür drang, war er gerade damit beschäftigt, Tücher für den nächsten Tag in Öle einzulegen.
    Jetzt oder nie!, dachte Wolfhart.
    Weder er noch Theofanos trugen ihre Schutzmontur. Aber sie jetzt anzulegen hätte zu viel Aufsehen erregt. Wolfhart nahm eine Fackel von der Wand. Theofanos folgte seinem Beispiel. Theofanos wollte sofort zum Vorraum des Rattengewölbes gehen, aber Wolfhart hielt ihn zurück. Zunächst öffnete er die Abstellkammer zur Linken. Sie war unbeleuchtet. Wolfhart gab Theofanos seine Fackel und nahm ein großes Ölfass an sich. Außerdem fand sich hier einiges an Werkzeug, darunter auch eine Handaxt, die dem Zerkleinern von Feuerholz diente. Die steckte er sich hinter den Gürtel und nahm noch ein zweites Ölfässchen unter den Arm. Dann durchquerten sie den Vorraum des Rattengewölbes, und schließlich öffnete Wolfhart die Tür zum Rattenverlies.
    Theofanos lachte. Er schien begriffen zu haben, was Wolfhart vorhatte, und freute sich darauf. Mit den Fackeln verscheuchte er die Ratten in der Nähe der Tür. Sie stoben angstvoll davon. Wolfhart stellte die beiden Fässer auf den Boden. Dann nahm er die Axt und zertrümmerte sie mit wenigen kräftigen Schlägen. Das Öl drang heraus und verbreitete sich.
    »Nichts an die Füße!«, warnte er Theofanos, der zur Seite sprang. Wolfhart nahm ihm eine Fackel ab und entzündete das Öl. Die Flammen loderten empor. Die Ratten kreischten. Die ersten von ihnen brannten bereits, und zahllose Kadaver und Gewölle wurden von dem sich ausbreitenden Flammenmeer ebenfalls erfasst. Dieses Pesthaus musste ausgeräuchert werden!
    Innerhalb weniger Augenblicke wurde es so heiß in der Rattenhöhle, wie man sich vielleicht das Höllenfeuer vorstellte. Beißender Rauch erfüllte die Luft. Theofanos jauchzte vor Freude, und Wolfhart musste ihn am Arm mit sich ziehen.
    Auf dem Korridor
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