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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel
Autoren: C Walden
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trafen sie Lazaros.
    »Was habt ihr getan?«, rief er.
    »Hinaus!«, befahl Wolfhart, der noch die Axt in der Hand hielt.
    Lazaros musste wegen des beißenden Qualms husten. Er besann sich kurz und stürzte dann hinaus.
    Wolfhart riss die Tür des Raumes auf, in dem die Pestleiche seziert und die Flöhe gekocht worden waren. Dort Feuer zu legen war nicht schwer. Es gab offene Behälter mit leicht brennbaren Ölen. Und Dutzende von darin getränkten Tüchern, die sofort Feuer fingen. Die Glaskolben platzten auseinander.
    Theofanos stieß im Flur einen durchdringenden Schrei aus.
    Wolfhart eilte zurück. Darenius stand in der Mitte des Korridors. In der Hand hielt er einen der Schürhaken, die für den großen Ofen benutzt wurden, auf dem sie die Öle für die Tücher erhitzten.
    »Hat Euch dieser Narr mit seinem Wahnsinn angesteckt, Wolfhart?«
    »Nein! Dies ist ein Moment der Klarheit, nicht des Wahns. Und jetzt raus hier, oder auch Ihr werdet am Rauch ersticken wie die Ratten mit ihren Flöhen!«
    »Ihr zerstört ein Lebenswerk!«
    »Aus dem Weg, Darenius!«
    Das Gesicht des ehemaligen Mönchs verzog sich zu einer Grimasse, die eine Mischung aus Wut, Hass und Schmerz ausdrückte. Es war nicht nur das Lebenswerk von Fausto Cagliari, das er hier vor der Zerstörung sah. Es war auch sein eigenes.
    Wolfhart wich dem Schlag mit dem Schürhaken aus. Die Wucht des Hiebs ließ Darenius nach vorn taumeln. Mit der stumpfen Seite der Axt traf Wolfhart ihn und streckte ihn zu Boden, wo er regungslos liegen blieb.
    »Tot«, sagte Theofanos.
    Wolfhart kniete nieder. »Nein!«, widersprach er. »Er lebt noch. Fass mit an.«
    Sie schleiften Darenius aus dem Gewölbe, in dem es inzwischen kaum noch möglich war zu atmen. Eine der Barken fehlte, und in der Ferne hörte man das Platschen eines Ruderblatts im Wasser. Das musste der hinkende Lazaros sein, der in der Eile seiner Flucht wohl keine Fackel mitgenommen hatte.
    Wolfhart und Theofanos trugen Darenius in eine der Barken. Er regte sich leicht. Wolfhart löste die Vertäuung des Boots und gab ihm einen Tritt, sodass es in den Säulenwald des Zisternensees hinaustrieb. Wenn Darenius wieder zu sich kam, würde er nichts mehr tun können, um noch irgendetwas zu retten.
    Als die Flammen schon aus der Tür des Gewölbekorridors schlugen und ihren Schein in die ewige Nacht der Unterwelt sandten, hatten Wolfhart und Theofanos ihre Barke bereits von der Steinkante abgestoßen.
    »Jetzt zeigen?«, fragte Theofanos.
    »Ja«, sagte Wolfhart. »Zeig mir, wo Meister Cagliari immer mit dir hingefahren ist.«

Vierundzwanzigstes Kapitel

    Die Mauern stürzen ein
    Die grässlichen Schreie von Sterbenden mischten sich mit dem Bersten von Mauern. Am St.-Romanos-Tor hatte es mehrere Einschläge gewaltiger Eisenkugeln gegeben. Auf einer Länge von gut vierzig Schritt lag das gewaltige Mauerwerk in Trümmern, und die Luft war erfüllt vom Kampfgeschrei der Angreifer.
    In all den Jahren bei der Garde hatte Thomás so etwas noch nicht erlebt. Im Zwei-Stunden-Rhythmus feuerten die Riesengeschütze der Belagerer ihre Kugeln ab, und nun waren jene Mauern, die Goten und Hunnen abgewehrt hatten, sturmreif geschossen. Zehntausende von Fußsoldaten näherten sich. Und ein Hagel von Pfeilen regnete auf die wenigen Verteidiger nieder.
    Wie eine Flut aus Kriegern, dachte Thomás schaudernd. Er stand auf dem Westturm des St.-Romanos-Tors. Geschützdonner betäubte seine Ohren. Eine Erschütterung erfasste den Turm. Eine der großen Eisenkugeln war zwanzig Fuß tief in das Gemäuer eingedrungen, das nun in sich zusammenbrach. Der Boden schwankte unter Thomás’ Füßen, aber noch ehe er in die Tiefe stürzte und unter den Steinen sein Grab fand, durchbohrte einer der Janitscharen-Pfeile seinen Hals. Von dem Lärm des Nahkampfes, der in ein Gemetzel ausartete, hörte der weitgereiste Söldner aus dem fernen Schottland schon nichts mehr.
    Wolfhart und Theofanos ruderten an dem Verlies vorbei, aus dem die helle Stimme zu hören gewesen war. Aber jetzt herrschte dort Stille. Zwischendurch glaubte Wolfhart einmal, so etwas wie ein Wimmern zu hören – aber das konnte genauso gut der verfremdete Widerhall eines Rattenschreis sein.
    Wolfhart ruderte, und Theofanos zeigte gestenreich mit der Fackel in der Hand den Weg. Sie hatten sich schon etwas von dem Verlies entfernt, da hörte Wolfhart einen hellen Schrei voller Verzweiflung – so, wie man sich den Gesang der verdammten Seelen in der Hölle vorstellte. Irgendwie
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