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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter
Autoren: Chris P. Rolls
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in Arm, Lars, der aufgrund einer Erkältung nicht teilnehmen konnte und Mirjam, mit der er seit einem halben Jahr zusammenlebte. Im Vorbeilaufen machte Kai auch Dirk und Susanne aus, doch sein Blick galt einzig Leon.
    Graugrüne Augen, ein sexy Drei-Tage-Bart. Er stand still in dem ganzen Jubel und lächelte Kai an. Dieses Lächeln trieb Kai viel stärker an, die Bewunderung, die Liebe in seinen Augen. Leon war erwachsener geworden, zudem ein wenig breitschultriger, noch immer jedoch ein sportlich, drahtiger junger Mann. Er zeigte Kai den Daumen und schmunzelte.
    „Noch sechs Kilometer. Das packst du!“, brüllte Lars ihm zu. „Kai, zeig es ihnen.“ Unwillkürlich wurden dessen Schritte länger. Sechs Kilometer und noch immer hatte er genug Reserven. Der Lärm begleitete ihn, jubelnde Menschen säumten die Strecke bis ins Ziel. Teilweise fuhr das Auto des Fernsehteams neben ihm, doch Kai blickte nur nach vorne auf die Strecke. Jeder Schritt trug ihn näher, jede Sekunde tickte die Zeit davon. Er sah nicht mehr zurück. Wenn noch einer an ihn herankommen sollte, er würde es an der Reaktion der Menschen merken. Sein Fokus richtete sich einzig auf das Ziel.
    Endlich. Dieses Jahr würde er es packen und seine Zeit unterbieten. Weit unterbieten sogar. Er war am Ziel all seiner Wünsche und Träume. Und im Ziel würde Leon stehen.
    Kais Atem ging gleichmäßig, sein Herz schlug im erforderlichen Takt. Sein Körper war mit sich im Einklang und er floss dahin, als ob er unendlich lange würde laufen können. Immer weiter und weiter, solange wie die Straße eben war, solange wie er laufen wollte.
    Unter seinen Füßen veränderte sich der Untergrund. Roter Teppich, der ihn ins Ziel geleitete. Da war der rotweiße Bogen mit dem Logo, gleich daneben die rote LED-Zeitanzeige auf die Kais Blick fallen sollte.
    Nicht dieses Mal. Eine bunte Flagge zog seinen Blick auf sich, kurz vor dem Ziel flatterte sie in der Menge, der winkenden Zuschauer. Leon . Kai sah sein Gesicht, die Augen auf ihn gerichtet und plötzlich verließen seine Füße den Teppich und hielten darauf zu. Sie wurden groß und größer. Leon zog verblüfft die Augenbrauen hoch, sein Blick glitt hinüber zu der Zeitanzeige, die unbarmherzig Kais Bestzeit näher kam. Wildes Stimmengewirr. „Was machst du? Spinnst du?“ Basti oder Lars, Kai sah nicht hin, blieb vor Leon stehen, während ringsum der Lärm toste und alles ihm zubrüllte, ins Ziel zu laufen.
    Kai streckte seine Hände aus, fühlte sich wie in Trance, als er Leons Gesicht umfasste und ihn zu sich heranzog. „Ich liebe dich“, flüsterte er. „Gott verdammt, ich liebe dich so sehr.“ Wenn möglich wurden Leons Augen noch größer. „Du spinnst.“ Er lachte laut auf. „Mensch Kai, renn ins Ziel, deine Zeit.“
    „Scheiß auf die Zeit.“ Kai hielt ihn fest und hob seine Stimme. Er kam sich selbst ein wenig albern vor. Hormone, Endorphine, was auch immer, kreiste wild in seinem Blut, aber er meinte es todernst. Die Frage erschien ihm immens wichtig. Viel wichtiger, als durch den großen Bogen ins Ziel zu laufen. „Liebst du mich auch?“ Basti grinste und schwenkte wie wild die Fahne. Lars hatte sich die Hand über die Augen gelegt, schüttelte fortwährend den Kopf, murmelte: „Acht Stunden. Er könnte unter den acht Stunden bleiben. Bitte lass diesen Idiot laufen.“
    „Ja.“ Leon lachte und stieß Kai an. „Ja, du Blödmann, tue ich. Und nun lauf endlich ins Ziel. Mensch, denk an deine Bestzeit.“
    „Nur mit dir zusammen“, erklärte Kai. „Ich möchte, dass du bei mir bist und jeder sehen kann, wir gehören zusammen. Kein Versteckspiel. Ich liebe dich und du liebst mich.“ Leon zögerte nur einen winzigen Moment, bevor er über die Absperrung stieg. Der Lärm der Zuschauer nahm zu, alle Augen, jeder Fotoapparat, jede Kamera war auf sie gerichtet. Kai sah es nicht. Nur diese wunderschönen Augen und den jungen Mann, der neben ihm stand, dessen Hand seine umklammerte.
    „Laufen wir“, flüsterte ihm Leon zu und Kai rannte los, zog ihn mit sich. Der Lärm schwoll noch mehr an. Überall klickten Blitzlichter, brüllten Menschen. Kai richtete den Blick nach vorne auf den großen Bogen. Dort war das Ziel seines großen Traumes und Leon war ein Teil davon. Viel wichtiger, als seine Bestzeit oder der Titel. Zum ersten Mal in seinem Leben war ihm jemand sogar wichtiger als sein Sport und es erschien ihm gut und richtig, dass sie gemeinsam diese Linie überquerten. Sie waren diesen langen
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