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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter
Autoren: Chris P. Rolls
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übers Knie gelegt, wenn er sich nach der Misere letzten Sommer nicht vernünftig verhalten hätte, er hätte ihn vermutlich mit den Plüschhandschellen gefesselt und mit seiner Reitgerte verdroschen. Gar nicht mal so eine schlechte Vorstellung. Also nicht der Schmerz, aber der Rest …  
    Kai verzog den Mund zu einem Schmunzeln und blinzelte einen Schweißtropfen fort. Vielleicht werde ich es mal vorschlagen, wenn wir wieder daheim sind. Wenn ich hier gewonnen habe.
    Es war unheimlich und ab und an warf er in den Kurven einen Blick zurück. Nach nur zehn Kilometern hatte er den Anschluss an die Spitzengruppe aus sieben Läufern geschafft. Auf den nächsten zehn waren zwei davon zurückgefallen. Und ab 25 Kilometern hatte Kai kontinuierlich das Tempo angezogen. Zwar waren ihm der Engländer und ein Deutscher noch sechs beziehungsweise acht Kilometer auf den Fersen gewesen, danach hatte er sich plötzlich alleine auf der Strecke wiedergefunden.
    Die Gefahr, der Euphorie zu erliegen war ihm wohl bekannt und er kontrollierte regelmäßig seinen Pulsmesser und das GPS, um sich genau an seinen Plan zu halten. Diese Chance wollte er nutzen, diesen Sieg einlaufen. Nicht nur ein Sieg auf der Challenge, nicht nur die Deutsche Meisterschaft, auch die Unterbietung seiner Bestzeit, das Knacken der 8 Stunden Marke war sein Ziel.
    Und ein Leon, der ihn im Ziel erwarten würde.
    Das letzte Jahr war hart gewesen. Nicht nur seine Verletzung, auch der Unfall Burghardts. Dieser hatte ein steifes Bein zurückbehalten und es war bald klar geworden, dass er den Hof nur noch eingeschränkt weiterführen konnte. Kai hatte Leon bewundert, der mit dem Wissen, dass dieser Mann nicht sein leiblicher Vater und er von diesem, aus nur Burghardt bekannten Gründen, seit jeher abgelehnt, diskriminiert und sogar geschlagen worden war, sich dennoch dem Hof und den Tieren gegenüber so verpflichtet fühlte. Es hatte zu einigen Diskussionen zwischen ihnen geführt, in denen Kai von Leons Entschlossenheit überrascht worden war, für die er ihn insgeheim bewundert hatte. Leon hatte seine Lehre nicht angetreten und stattdessen den Hof übernommen.
    Nicht nur ein gewagtes Unternehmen, weil dieser kaum Gewinn abwarf, auch, weil er damit täglich mit Burghardt umgehen musste und dieser mit ihm. Der Unfall hatte diesen stark aus der Bahn geworfen und eine ganze Zeit lang hatte er sich komplett in sich verkrochen. Wie Leon es schaffte, in dieser Stimmung aus dem Hof wieder ein funktionierendes Unternehmen zu machen, blieb sein Geheimnis. Verbissen hatte er daran gearbeitet, war oft erst spät abends und völlig erschöpft heimgekommen. Schweren Herzens hatte er Pferde verkauft und den Betrieb saniert. Irgendwann hatte auch Burghardt sein Tief überwunden und einen Teil der Arbeiten, die ihm möglich waren, übernommen.
    Leon sprach nicht viel darüber, aber Kai hatte mitbekommen, dass sich ihr Verhältnis etwas gewandelt hatte. Sie arbeiteten zusammen, wenn es um die Ausbildung der Pferde ging und Leon hatte dank des neuen Pferdes tatsächlich den Weg zurück in den Kader und den Springsport geschafft. Daneben hatte er jedoch zu Christels großer Freude, Ben zu sich geholt und war mit diesem auf Distanzritten erfolgreich. Im Mai war das Springpferd verkauft worden und seither hatte er dem Turniersport den Rücken gekehrt und sich auf das Distanzreiten konzentriert.
    Sehr zu Leons Überraschung und auch ein wenig zu Kais Missfallen, hatte Burghardt Leon vor einem Monat den Hof überschrieben. Vielleicht war es seine Art von Wiedergutmachung, denn dass er sich darum bemühte war auch Kai aufgefallen, obwohl er den Kontakt zu dem anderen Mann nach wie vor mied. Auch zu Leons Mutter war das Verhältnis unterkühlt. Mit Bodo war es hingegen anders, zu dem Kai ein locker freundschaftliches Verhältnis aufgebaut hatte.
    Aufbrandender Applaus und Anfeuerungsrufe rissen Kai aus seinen Gedanken und er hob den Kopf, ohne den Rhythmus zu verlieren. Da vorne war die Wasserstelle, die letzte vor dem Ziel. Die Menschen an der Strecke waren nur eine Masse aus bunten Farben, in denen er nur ein Gesicht suchte. Am Ende der Reihe wehten die bunten Farben. Es war Bastis Idee gewesen, der ihnen gestern Abend eine Regenbogenflagge präsentiert hatte. „Wo die weht, siehst du deinen Liebsten und wehe, dass beschleunigt nicht deine Schritte. Wir erwarten einen Sieg, das ist ja wohl klar.“
    Es war nun auch Basti, der diese Flagge wild hin und her schwenkte. Neben ihm standen, Arm
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