Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meckerfritz - 3: Bissige und ironische Betrachtungen des Alltags. (German Edition)

Meckerfritz - 3: Bissige und ironische Betrachtungen des Alltags. (German Edition)

Titel: Meckerfritz - 3: Bissige und ironische Betrachtungen des Alltags. (German Edition)
Autoren: Lutz Spilker
Vom Netzwerk:
fiel der Zahl zum Opfer, die irgendwie mit dem Tage der Geburt korrespondiert; dem Alter.

Und dann sehe ich einen anderen Mann, ebenso alt an Jahren, doch erheblich älter in der Erscheinung. Frisurtechnisch betrachtet, konnte er sich die Zeit vor dem Spiegel zum Kämmen schenken. Energieersparnis zu Einhundert Prozent, sozusagen. Und dann kam das Gesicht. Überall scheint es wie Kraut zu wuchern, Schindeln in der Nase und in den Ohren, bloß keine auf dem Dach.
     
    Im Umkreis von gefühlten 500 Meilen südlich von Texas war ich seinerzeit der Einzige, der die 3 Körperteile eines Menschen kennt, deren Wachstum erst mit dem Ableben der betreffenden Person endet: nämlich die beiden Ohren und die Nase.

Das war eine Nase, die er im Gesicht trug. Ein klassisches und gleichsam beliebtes Motiv für jeden Bildhauer. Der Rest des Gesichts war beim ersten Anblick wie das, eines dieser Hunde aus England, von denen man glaubt, sie hätten ständig schlechte Laune. Dänische Doggen schauen auch so, wenn man ihnen einen viel zu kleinen Sattel überwirft oder aufzwängt. Das Gewicht der überdimensional erscheinenden Ohren, zog das Gesicht meines Opas, der Erdanziehung folgend, abwärts. Damals erschienen mir die Ohren größer, als die Satteltaschen am Pferd eines Cowboys.
     
    Ja, dieser „alte Mann“ war mein Opa und der andere „alte Mann“ war mein anderer Opa.

Der mit dem schütteren Haar und den langen Ohren schien nur eine Garnitur Garderobe zu besitzen oder zog sie immer erst an, wenn ich zugegen war. Er trug ein helles Hemd, weiß war es sicher einmal, doch nie sah ich ihn eine Krawatte tragen. Den obersten Knopf machte er zu und schuf wahrscheinlich schon damals den jetzigen Trend Hemden ohne Schlips zu tragen. Hier lässt sich klar erkennen, dass man als Protagonist Durchstehvermögen beweisen muss, bevor Eigendynamik der Allgemeinheit zu Nutzen gemacht wird.

Und oftmals erleben es die Betroffenen noch nicht einmal. Mozart ist krank und arm gestorben und viele Maler, deren Werke heutzutage Millionen wert sind, starben bettelarm. Mein Opa und Wolle Joop zusammen als Titelbild, das wäre ein Sechser-Pasch. Ich sah meinen Opa nur bei ein und derselben Beschäftigung: Kreuzworträtsel. Er saß immer auf demselben Stuhl, sein Körper nahm stets dieselbe Haltung an, er trug immer diese „Berthold Brecht Gedächtnis-Brille“ in ein und derselben Position. Vielleicht beeinflusste das auch einen Teil der Länge seiner Nase.
     
    Aber vielleicht war ich das einzige Kind im Umkreis von geschätzten 300 Meilen nördlich von Laramie, das die in Kreuzworträtseln äußerst beliebte Abkürzung „ugs“ für „umgangssprachlich“ kannte.
     
    Über diesem Hemd, in dem der Gilb wohnte und sich schamlos vermehrte, trug er eine Strickjacke mit Reißverschluss. Diese Jacke war hellbraun, recht dünn und an den Ellbogen noch dünner, schaute doch dort das vergilbte Hemd schon neugierig hervor. Es schien niemanden zu interessieren, ich nahm es nur optisch wahr. Da die Jacke zwar einen Verschluss besaß, dieser aber nie benutzt wurde, kamen die Hosenträger zum Vorschein. Welche Aufgabe sie besaßen, erschloss sich für mich nie, denn meines Opas favorisierte Körperhaltung war das Sitzen. Die graue Hose beugte sich dem Willen des Besitzers und stellte die Anschaffung der Hosenträger potentiell in Frage.

Der Hosenbund besagter Beinkleider aus reinem Kammgarn, wie Oma es mehrfach betonte, wies eine glänzende Oberfläche auf und erinnerte ein wenig an die Berufsbekleidung der Herren Ober, in fragwürdigen Absteigen. Auch begann Opas Hose mit dem vierten Hemdknopf von oben. Dieser Tragekomfort blieb bis zum heutigen Tage unverändert erhalten und wird Gerüchten zufolge gentechnisch vererbt.
     
    Wozu also noch Hosenträger?
     
    Der mit den Jahren des Wohlstands entstandene Bauch behielt die Hose fest im Griff. Restspuren einer Bügelfalte ließen sich unter Zuhilfenahme eines Mikroskops erkennen. Dann kamen die Socken, es waren irgendwelche von maximaler Unbedeutsamkeit und dann folgten die Schuhe. Präzise sollte man Hausschuhe sagen. Es sind welche aus der Gattung, der innen Gefütterten. Plüsch ist teuer, also standen diese Hausschuhe zur Plüschfütterung an.
     
    Man las es auf einem imaginären Hinweisschild: Diese Hausschuhe nur mit Plüsch füttern!
     
    Orthopädisch eine Sensation, zumal der Span eines jeden Fußbesitzers different ausfällt. Mit diesen emaillierten braunen Schnallen, konnte man sie nämlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher