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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel
Autoren: Frederick Forsyth
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Haupteingang?«
    Das Century House ist ein Dorf, eine kleine Gemeinde. Auf dem Korridor zum Lift, während der Fahrt hinab ins Erdgeschoß und in der gefliesten Eingangshalle grüßten die Kollegen und Sekretärinnen McCready - »Hallo, Sam. hallo, Sam.« Sie sagten nicht »Leben Sie wohl, Sam«, aber das war gemeint. Ein paar von den Sekretärinnen blieben stehen, als würden sie ihm gern ein letztes Mal die Krawatte geradeziehen. Er nickte, lächelte und ging weiter.
    Am Ende der Halle war der Eingang, und dahinter die Straße. McCready ging der Gedanke durch den Kopf, ob er sich mit seiner Entschädigung ein Häuschen auf dem Land kaufen, Rosen und Kürbisse ziehen, Sonntagvormittags in die Kirche gehen, zu einer Stütze der Gemeinde werden sollte. Aber womit die Tage ausfüllen?
    Es tat ihm leid, daß er niemals Hobbys entwickelt hatte, die einen ganz in Anspruch nahmen, wie die Kollegen, die Tropenfische züchteten oder Briefmarken sammelten oder in Wales auf die Berge stiegen. Und was könnte er zu seinen Nachbarn sagen? »Guten Morgen, ich heiße Sam, ich war im Foreign Office und bin jetzt im Ruhestand, aber was ich dort getan habe, davon darf ich kein Wort verraten.« Alten Soldaten ist es erlaubt, ihre Erinnerungen aufzuschreiben oder im Nebenzimmer eines Pubs mit ihren Heldentaten Touristen zu
    langweilen. Aber diejenigen, die ihr Leben im
    Geheimdienstmilieu zugebracht haben, dürfen den Mund nicht aufmachen. Sie müssen schweigen bis zum Ende.
    Mrs. Foy von der Reiseabteilung durchquerte auf ihren klappernden hohen Absätzen die Eingangshalle, eine
    statuarische Witwe Ende dreißig. Nicht wenige männliche Bewohner des Century House hatten schon ihr Glück bei
    Suzanne Foy versucht, aber sie hieß nicht grundlos >die Festung<.
    Ihre Wege kreuzten sich. Sie blieb stehen und wandte sich McCready zu. Irgendwie hatte sein Krawattenknoten die Mitte seines Brustbereichs erreicht. Sie streckte die Hände aus, zog ihn fest und beförderte ihn wieder hinauf zum obersten Knopf des Hemdes. Gaunt beobachtete sie. Er war zu jung, um sich an Jane Russell zu erinnern, und konnte deshalb den naheliegenden Vergleich nicht ziehen.
    »Sam, Sie brauchen jemanden, der Sie nach Hause mitnimmt und Ihnen etwas Nahrhaftes vorsetzt«, sagte sie.
    Denis Gaunt sah ihren Hüften nach, wie sie den Weg bis zu den Lifttüren zurücklegten. Der Gedanke ging ihm durch den Kopf, wie es wäre, von Mrs. Foy etwas Nahrhaftes vorgesetzt zu bekommen. Oder auch umgekehrt.
    Sam McCready öffnete die Spiegelglastür zur Straße. Eine Woge heißer Sommerluft brandete herein. Er drehte sich um, griff in seine Brusttasche und zog einen Umschlag heraus.
    »Geben Sie ihnen das, Denis. Morgen vormittag. Das und nichts anderes wollen sie ja schließlich.«
    Denis nahm den Umschlag entgegen und starrte ihn an.
    »Sie haben den Brief die ganze Zeit bei sich getragen«, sagte er. »Sie haben ihn schon vor Tagen geschrieben, Sie alter Fuchs.«
    Aber seine Worte waren in die Eingangstür gesprochen, die gerade zufiel.
    McCready wandte sich nach rechts und ging gemächlich, das Sakko über die Schulter gehängt, in Richtung Westminster Bridge, die eine halbe Meile entfernt war. Er lockerte die Krawatte, so daß sich der Knoten wieder über dem dritten Hemdknopf von oben befand. Es war ein heißer Julinachmittag, einer in der großen Hitzewelle des Sommers 1990. Der frühe Pendlerverkehr strömte an ihm vorbei, der Old Kent Road entgegen.
    Vor ihm stieg die Westminster Bridge in die Höhe. Auf dem anderen Ufer ragten die Houses of Parliament in den blauen Himmel, deren Rechte - und gelegentliche Narreteien - zu schützen dreißig Jahre lang Ziel seiner Arbeit gewesen war. Der vor einiger Zeit gesäuberte Big Ben glühte neben der träge dahinströmenden Themse golden im Licht der Sonne.
    In der Brückenmitte stand ein Zeitungsverkäufer mit einem Stapel Ausgaben des Evening Standard, an dem ein Zeitungsplakat lehnte. Darauf stand:
    BUSH-GORBY - ENDE DES KALTEN KRIEGES BESIEGELT.
    McCready blieb stehen, um sich das Blatt zu kaufen.
    »Danke, guy «, sagte der Zeitungsverkäufer und deutete auf sein Plakat. »Endlich alles vorbei, was?« sagte er.
    »Vorbei?« antwortete McCready.
    »Klar. Aus und vorbei mit diesen ganzen internationalen Krisen.«
    »Eine schöne Vorstellung«, pflichtete McCready ihm bei und ging gemütlich weiter.
    Vier Wochen später überfiel Saddam Husseins Armee Kuwait. Sam McCready hörte die Meldung beim Angeln in seinem Kofferradio,
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