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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel
Autoren: Frederick Forsyth
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Sandpiste ab, und Sam McCready blickte noch einmal hinab auf Port Plaisance, das in der Morgensonne seinen Geschäften nachging. Er sah den Spyglass Hill und auf der Kuppe eine rosafarbene Villa vorübergleiten.
    Der Pilot flog noch eine Kehre und nahm dann Kurs auf Miami. Die Maschine legte sich schräg, und McCready sah unten in der Tiefe das Innere der Insel. Auf einem ungeteerten Weg stand ein kleines, braunes Kind, das heraufblickte und winkte. McCready winkte zurück. Wenn der Junge Glück hat, dachte er, wird er heranwachsen, ohne unter der roten Fahne leben zu müssen oder Kokain zu schnupfen.

London, Century House
     
    »Ich spreche gewiß im Namen aller, wenn ich Denis für seine ausgezeichnete Darlegung nachdrücklich danke«, sagte Timothy Edwards. »Da es so spät geworden ist, möchte ich vorschlagen, daß Sie, liebe Kollegen, und ich uns durch den Kopf gehen lassen, ob in diesem Fall eine Ausnahmeregelung möglich wäre, und unsere Auffassungen dazu morgen vormittag vortragen.«
    Denis Gaunt mußte dem Beamten von der Dokumentenabteilung das Dossier zurückgeben. Als er sich umdrehte, war Sam McCready verschwunden. Er hatte sich verdrückt, kaum daß Edwards sein letztes Wort gesprochen hatte. Gaunt spürte ihn zehn Minuten später in seinem Dienstzimmer auf.
    McCready hatte die Baumwolljacke über eine Stuhllehne gehängt, die Ärmel hochgekrempelt und kramte herum. Auf dem Boden standen zwei Weinkartons.
    »Was tun Sie denn da?« fragte Gaunt.
    »Meine privaten Siebensachen ausräumen.«
    Es gab nur zwei Fotos, und die waren nicht auf dem Schreibtisch zur Schau gestellt, sondern lagen in einer Schublade. Das eine zeigte seine verstorbene Frau May, das andere seinen Sohn am letzten Tag seines Studiums, wie er in seiner schwarzen Robe dastand und schüchtern in die Kamera lächelte. McCready legte die beiden Fotos in einen der Kartons.
    »Sie sind verrückt«, sagte Gaunt. »Vielleicht haben wir es geschafft. Nicht dank Edwards, natürlich, sondern dank der beiden Controller. Ich könnte mir vorstellen, daß sie es sich anders überlegen. Wir wissen, daß die beiden Sie mögen und wollen, daß Sie bleiben.«
    McCready nahm seinen CD-Player und verstaute ihn in dem anderen Karton. Manchmal, wenn er Gedanken nachhing, legte er gern klassische Musik auf, die beruhigend wirkte. Sein persönlicher Kram füllte kaum die beiden Kisten aus. An den Wänden hingen keine Fotos, die ihn beim Händeschütteln mit hohen Tieren zeigten, und die paar Kopien impressionistischer Gemälde gehörten dem SIS. Er richtete sich auf und sah die beiden Kartons an.
    »Nicht gerade viel, wenn man bedenkt, daß ich dreißig Jahre dabei war«, murmelte er.
    »Aber, Sam, um Himmels willen, die Sache ist doch noch nicht entschieden. Vielleicht überlegen sie es sich noch einmal.«
    McCready drehte sich um und packte Gaunt an den Oberarmen.
    »Denis, Sie sind ein großartiger Junge. Sie haben es sehr gut gemacht, da drinnen. Sie hätten es nicht besser machen können. Und ich werde dem Chef vorschlagen, Ihnen die Abteilung zu unterstellen. Aber Sie müssen lernen, das Unvermeidliche hinzunehmen. Es ist vorbei. Das Urteil wurde schon vor Wochen gesprochen, in einem anderen Büro und von einem anderen Mann.«
    »Was sollte dann die ganze Anhörung überhaupt, verdammt nochmal?«
    Denis Gaunt setzte sich mit trauriger Miene in den Sessel seines Chefs.
    »Ach, ich wollte es den Schurken ein bißchen schwermachen. Tut mir leid, Denis, ich hätte es Ihnen verraten sollen. Sorgen Sie dafür, daß diese Kartons irgendwann in meine Wohnung gebracht werden?«
    »Sie könnten noch immer einen der Jobs akzeptieren, die sie Ihnen angeboten haben«, schlug Gaunt vor. »Jetzt gerade zum Trotz.«
    »Denis, wie der Dichter sagt: Eine einzige Stunde glorreich, süß und toll gelebt zu haben, ist eine Welt ohne Namen wert. Dort unten in der Archivbibliothek zu sitzen oder Spesenrechnungen weiterzugeben, das wäre für mich eine Welt ohne Namen. Meine Zeit ist abgelaufen, ich habe mein Bestes gegeben, es ist zu Ende. Ich gehe meiner Wege. Draußen erwartet mich eine Welt voller Sonne, Denis. In dieser Welt werd ich’s mir gut gehen lassen.«
    Denis Gaunt machte ein Gesicht, als nähme er an einem Begräbnis teil.
    »Der Chef wird Ihnen eine Abschiedsparty geben.«
    »Darauf verzichte ich. Ich mag keinen billigen Sekt. Der schlägt sich mir auf den Magen. Und genauso geht’s mir, wenn Edwards nett zu mir ist. Begleiten Sie mich hinunter zum
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