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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel
Autoren: Frederick Forsyth
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sich erlebten. Pankratin jedoch handelte aus rein materiellen Beweggründen, ihm ging es schlicht und einfach nur ums Geld. Eines Tages, sagte er, werde er hinüberkommen, aber dann wolle er ein reicher Mann sein. Er hatte das Treffen in Ost-Berlin, das im Morgengrauen stattfand, vereinbart, um mehr herauszuschinden.
    Pankratin griff in seinen Trenchcoat und zog einen dicken, braunen Umschlag heraus, den er McCready reichte. Kühl beschrieb er den Inhalt des Umschlags, während McCready das Päckchen in seiner dicken Jacke unsichtbar verstaute: Namen, Örtlichkeiten, Gefechtsbereitschaft einzelner Divisionen, Operationsbefehle, Truppenbewegungen, Abkommandierungen, Verbesserungen von Waffensystemen. Am wichtigsten war natürlich, was Pankratin über die SS-20 beizusteuern hatte, die schreckenerregenden Mittelstreckenraketen auf mobilen Abschußrampen, jede mit drei nuklearen Sprengköpfen bestückt, die individuell gesteuert werden konnten und auf britische oder kontinental-europäische Städte gerichtet waren. Pankratin zufolge rückten sie zu dieser Zeit in die Wälder Sachsens und Thüringens, in größere Grenznähe vor, so daß sie Ziele in einem Bogen, der von Oslo über Dublin bis nach Palermo reichte, bedrohen konnten. Im Westen zogen gleichzeitig gewaltige Kolonnen naiver Linker, die es aufrichtig meinten, hinter den Bannern der Friedensbewegung durch die Städte und forderten, ihre Regierungen sollten als Zeichen ihrer Friedensliebe auf ihre Defensivwaffen verzichten.
    »Es hat natürlich seinen Preis«, sagte der Russe.
    »Klar.«
    »200.000 Pfund Sterling.«
    »Einverstanden.« Seine Regierung hatte zwar nicht ihr Einverständnis erklärt, aber McCready wußte, daß man das Geld irgendwo auftreiben würde.
    »Noch etwas. Soviel ich weiß, bin ich für eine Beförderung vorgesehen. Zum Generalmajor. Und für eine Versetzung. Zurück nach Moskau.«
    »Gratulation. Und was sollen Sie dort werden, Jewgeni?«
    Pankratin legte eine Pause ein, um seine Eröffnung wirken zu lassen.
    »Stellvertretender Direktor des gemeinsamen Planungsstabs im Verteidigungsministerium.«
    McCready war beeindruckt. In Moskau, in der Frunse-Straße Nr. 19, einen Mann zu haben, das wäre einzigartig.
    »Und wenn ich hinüberkomme, möchte ich eine große Luxuswohnanlage haben. In Kalifornien. Auf meinen Namen im Grundbuch eingetragen. Vielleicht in Santa Barbara. Dort soll es sehr schön sein.«
    »Das stimmt«, sagte McCready. »Sie möchten sich nicht in England niederlassen? Wir würden uns um Sie kümmern.«
    »Nein, ich möchte in der Sonne leben. In der Sonne Kaliforniens. Und eine Million Dollar, US-Dollar, auf mein Konto dort.«
    »Eine Wohnung, das ließe sich einrichten«, sagte McCready. »Und auch eine Million Dollar. Wenn das Material stimmt.«
    »Keine Wohnung, Sam. Eine Luxuswohnanlage. Damit ich von den Mieteinnahmen leben kann.«
    »Jewgeni, Sie verlangen da zwischen fünf und acht Millionen US-Dollar. Ich glaube nicht, daß meine Leute eine solche Summe aufbringen können. Nicht einmal für Ihr Material.«
    Unter dem militärischen Schnauzbart des Russen schimmerten in einem kurzen Lächeln die Zähne auf.
    »Wenn ich in Moskau bin, wird das Material, das ich Ihnen liefern werde, Ihre kühnsten Erwartungen übertreffen. Sie werden das Geld schon auftreiben.«
    »Warten wir erst mal ab, bis Sie befördert werden, Jewgeni. Dann sprechen wir über eine Wohnanlage in Kalifornien.«
    Fünf Minuten später trennten sie sich, der Russe, um an seinen Schreibtisch in Potsdam zurückzukehren, der Engländer, um durch die Mauer nach West-Berlin zurückzuschlüpfen. Am Checkpoint Charlie würde man ihn durchsuchen. Daher würde das Päckchen die Mauer auf einem anderen Weg, sicherer, aber langsamer, überwinden. Erst wenn er es in West-Berlin wieder in Händen hatte, würde Sam McCready nach London zurückfliegen.
     
     
Oktober 1983
    Bruno Morenz klopfte an die Tür und trat ein, als er das joviale »Herein« hörte. Sein Vorgesetzter war allein in dem Büro, er saß in seinem gewichtigen, ledernen Drehsessel hinter seinem gewichtigen Schreibtisch. Er rührte gerade genüßlich seine erste Tasse Kaffee an diesem Tag um, den ihm das aufmerksame Fräulein Keppel, die gepflegte alte Jungfer, die alle seine legitimen Bedürfnisse befriedigte, in der Tasse aus Chinaporzellan serviert hatte.
    Wie Morenz gehörte auch der >Herr Direktor< der Generation an, die sich noch an das Kriegsende und an die Nachkriegsjahre erinnerte, als
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