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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel
Autoren: Frederick Forsyth
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die Deutschen sich mit Zichorienkaffee behelfen mußten und nur die amerikanischen Besatzer und gelegentlich die Engländer an echten Kaffee herankamen. Diese Zeiten waren vorüber. Dieter Aust genoß seinen kolumbianischen Kaffee am Morgen. Morenz bot er keinen an.
    Beide Männer gingen auf die Fünfzig zu, doch damit waren die Gemeinsamkeiten auch schon zu Ende. Aust war klein, rundlich, sorgfältig rasiert und gekleidet und stand an der Spitze des Kölner Amtes. Morenz war größer, kräftig, ergraut. Aber er hielt sich schlecht, schien beim Gehen zu watscheln, und bot einen klobigen, schlampigen Anblick in seinem Tweedanzug. Außerdem war er ein bescheidener Beamter, der nicht im Traum daran gedacht hätte, nach dem Direktorentitel zu streben, samt dem dazugehörigen hochbedeutsamen Büro und einem Fräulein Keppel, das ihm seinen kolumbianischen Kaffee in Chinaporzellan servierte, ehe er sich an die Arbeit setzte.
    Die Szene, wie ein Vorgesetzter einen Untergebenen zu einem Gespräch zu sich bestellte, spielte sich an diesem Morgen wahrscheinlich in zahlreichen Chefbüros überall in Deutschland ab, doch der Arbeitsbereich dieser beiden Männer hätte wohl schwerlich einen Vergleich gefunden. Und dies galt auch für die anschließende Unterhaltung. Denn Dieter Aust war Chef der Kölner Außenstelle des Bundesnachrichtendienstes (BND).
    Die Zentrale des BND befindet sich in einem ausgedehnten, von einer hohen Mauer umgebenen Gelände am Rand der bayerischen Gemeinde Pullach, rund acht Kilometer südlich von München auf dem Hochufer der Isar gelegen - auf den ersten Blick eine Kuriosität, wenn man bedenkt, daß seit 1949 Bonn am Rhein, Hunderte von Kilometern entfernt, Bundeshauptstadt ist. Der Grund ist historischer Natur. Die Amerikaner nämlich schufen nach dem Krieg eine westdeutsche Spionageorganisation, um ein Gegengewicht zu den Bemühungen des neuen Feindes, der UdSSR, auf diesem Gebiet zu schaffen. Zum Leiter dieses Dienstes bestimmten sie Reinhard Gehlen, früher Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, und der Dienst selbst trug nur die schlichte Bezeichnung >Organisation Gehlen<. Die Amerikaner wollten Gehlen innerhalb ihrer Besatzungszone halten, und dazu gehörte eben auch Bayern.
    Konrad Adenauer, Oberbürgermeister von Köln, war damals ein noch nicht sehr bekannter Politiker. Als 1949 die Bundesrepublik Deutschland ins Leben gerufen und Adenauer ihr erster Kanzler wurde, bestimmte man erstaunlicherweise seine Heimatstadt Bonn zur Hauptstadt. Beinahe sämtlichen Bundesorganen wurde nahegelegt, dort ihren Sitz zu nehmen, doch Gehlen widersetzte sich, und seine Organisation, inzwischen in BND umbenannt, blieb in Pullach, wo sich noch heute die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes befindet. Allerdings unterhält der BND in sämtlichen Bundesländern Außenstellen, und eine der wichtigsten findet sich in Köln. Der Grund liegt darin, daß Köln Bonn am nächsten liegt. Schon allein die zahlreichen Ausländer in Bonn boten ein reiches Betätigungsfeld für den BND, der sich im Unterschied zu seiner Schwesterorganisation, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), mit der Auslandsaufklärung befaßt.
    Morenz folgte Austs Aufforderung, Platz zu nehmen, und überlegte, was er, wenn überhaupt, falsch gemacht haben könnte. Die Antwort lautete: nichts.
    »Mein lieber Morenz, ich will nicht lange um die Sache herumreden.« Aust betupfte sich mit einem frischen Leinentaschentuch die Lippen. »Nächste Woche tritt unser Kollege Dorn in den Ruhestand, wie Sie natürlich wissen. Seine Pflichten übernimmt sein Nachfolger. Er ist viel jünger und, das dürfen Sie mir glauben, ein Typ, der es noch weit bringen wird. Eine Aufgabe aus seinem Bereich verlangt jedoch einen Mann in reiferen Jahren. Ich hätte gern, daß Sie sie übernehmen.«
    Morenz nickte, als hätte er verstanden, was keineswegs der Fall war. Aust formte mit seinen pummeligen Fingern eine Art Giebel und blickte versonnen zum Fenster hinaus, wobei sein Gesicht einen Ausdruck des Schmerzes über die Extravaganzen seiner Mitmenschen annahm. Er wählte seine Worte mit Bedacht.
    »Hin und wieder treffen bei uns Gäste ein, ausländische Politiker, die nach einem mit Verhandlungen oder offiziellen Begegnungen verbrachten Tag das Bedürfnis nach Zerstreuung... nach Unterhaltung verspüren. Unsere verschiedenen Ministerien arrangieren natürlich gerne Besuche in erstklassigen Restaurants, von Konzerten, von
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