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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein
Autoren: Margaret Allan
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Plötzlich bog sie ihren Rücken durch, und ebenso plötzlich entspannte sie sich wieder, wie ein kleines Tier, dessen Knochen mit einemmal zerschlagen wurden.
    Er erkannte, was er sah, und Trauer so schwarz wie die Nacht überflutete ihn.
    Ihre Lippen bewegten sich, und er beugte sich zu ihr hinunter.
    »Mutter...«, hauchte sie. Einen Moment lang wollte es ihm scheinen, daß sie ihm noch etwas zu sagen versuchte, doch keine weiteren Laute kamen mehr über ihre Lippen.
    Nach einer Weile richtete er sich auf. Er starrte auf ihr Antlitz hinab, das im Tod irgendwie sanfter, jünger war. Ihre Augen standen imme r noch weit offen, doch das Licht war aus ihnen gewichen. Behutsam streckte er die Hand aus, berührte die alte Haut ihrer Lider und schloß ihre Augen.
    Leise sang er ein paar Minuten vor sich hin, um sich dann zu erheben und aus der Höhle zu treten.
    Es würde ein großes Lied werden.

KAPITEL ZWEI
    Nordosten der Vereinigten Staaten: 17997 v. Chr.
    Der gewaltige, dröhnende Lärm erschütterte die kalte Luft, wie er es Tausende von Jahren zuvor schon getan hatte und noch viele tausend Jahre tun würde. Haut lugte beklommen in Richtung Norden. Er kannte dieses tiefe Donnergrollen von klein auf, war damit vertraut, doch immer noch machte es ihm angst. Er hob eine Hand empor, und der Stamm, nicht ganz hundert Männer, Frauen und Kinder, die mit ihm auf Nah-rungssuche waren, hielt an.
    Alter Zauber, der direkt hinter Haut ging, kam zu ihm nach vorne, einen Ausdruck der Verständnislosigkeit auf dem Gesicht. »Warum bleibst du stehen?« fragte er. Ein eisiger Nord wind zerrte an der Kapuze aus Fell, die sein Antlitz umschloß.
    Haut drehte sich um und blickte dem älteren Mann ins Gesicht. »Kannst du es nicht riechen?« wollte er wissen.
    Alter Zauber wandte sich von ihm ab und kniff die Augen gegen den Wind zusammen. Mit zeremonieller Langsamkeit wandte er sich nach Norden, dann nach Osten, wo das Große Licht jeden Morgen wiedergeboren wurde, daraufhin nach Süden und schließlich nach Westen. Während er den Kreis beschrieb, zuckte seine breite, flache Nase.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, nickte nachdenklich und deutete dann schnurstracks geradeaus. »Wasser«, verkündete er. »Da.«
    Ein gedämpftes freudiges Gemurmel wurde hinter seinem Rücken laut.
    Der Stamm war viele Licht- und Dunkelzeiten gewandert, ohne eine gute Quelle zu finden, an der sie die großen Ledersäcke, die sie mit sich trugen, wieder hätten auffüllen können. Doch einen Ort mit Wasser gefunden zu haben bedeutete mehr für sie, als nur einfach ihren Durst löschen zu können. Sie würden an einen Ort gelangen, an dem die großen Tiere, die sie jagten, sich versammelten.
    Und für Haut bedeutete die Aussicht auf Wasser und Fleisch sogar noch mehr. Vielleicht würde das Volk des Mammuts wenn das Glück ihm hold war, einen Platz finden, an dem es eine Zeitlang siedeln konnte. Er brauchte diese Zeit. Seine Frau, Baum, war wieder schwanger. Ihre letzten beiden Kinder, beide männlichen Geschlechts, waren Totgeburten gewesen. Haut spürte die ersten Anzeichen des Alters in seinen Knochen.
    Er wollte einen lebenden Sohn haben, bevor es zu spät war.
    Hoffnung stand in seinen weit geöffneten schwarzen Augen, als er das Zeichen zum Weitermarsch gab. Das Volk schulterte Bündel und Zeltstangen und schwankte vorwärts. Selbst die Jüngeren vermochten den feuchten Geruch in der Luft auszu machen.
    Baum verließ ihren Platz bei den Frauen und kleineren Kin dern und lief, bis sie an Hauts Seite war. Eine stumme Frage lag im Blick ihrer dunklen Augen.
    »Vielleicht«, teilte Haut ihr mit. »Wir werden sehen.«
    Dieser Marsch hatte zehnmal die Finger einer Hand an Lichtzeiten zuvor begonnen, als das Volk seinen Siedlungsort im Tal des Sandes verlassen hatte, nachdem die nahe gelegene Quelle versiegt war. Mit dem Verschwinden des Wassers hatte es auch kein Jagdwild mehr gegeben; die Frauen hatten in ihren Schlin gen keine der winzigen Kaninchen und Bodeneichhörnchen mehr gefangen, die bis dahin tief im Schutz des Tundragrases genistet hatten, und die Männer, die auf die Jagd gingen, hatten weder die Fährte von Bison, Mammut oder dem langhornigen Karibu gefunden, die einst den kleinen Flußlauf regelmäßig aufgesucht hatten. In Zeiten der Not und der Entbehrung gewonnene Erfahrung hatte dem Volk gesagt, daß es sich bereitmachen mußte, erneut auf Wanderschaft zu gehen. Als Alter Zauber drei Tage lang mit dem heiligen Stein
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